Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
Vom Netzwerk:
sein Verdacht gegen Ronnie begründete.
    »Wie gesagt, fast nur auf Instinkt. Seine eigene Mutter scheint ihm so ziemlich alles zuzutrauen, dann die Vorstrafen und die Kontakte zur rechten Szene. Wenn ich nach dem gehe, was du schon am Samstag erzählt hast, müssen die seinem Großvater ein Dorn im Auge gewesen sein, wenn er davon wusste.«
    Ich nickte. Das war völlig klar. »Es gibt allerdings vielleicht noch ein ganz anderes Motiv.«
    Die Frage, ob im Hyazinthus-Krankenhaus Patienten betrogen wurden und Heinz Wachowiak dem auf die Spur gekommen war, hatte ich nachmittags komplett vergessen. Dale hörte sich an, was ich zusammengetragen hatte, während er seine Tagliatelle mit Gorgonzola und Spinat geübt auf die Gabel drehte.
    »Ich sollte Frau Gärtner raten, einen erfahrenen Detektiv zu beauftragen«, schloss ich und widmete mich ebenfalls meinen Nudeln. Ich hatte Heißhunger auf Fleisch gehabt und Tortellini in Sahne-Schinken-Sauce bestellt.
    »Ja, du könntest ruhig mal an mich denken«, sagte Dale in betont lockerem Ton und nahm mir das Versprechen ab, Hantzsche davon zu informieren. »Sei bitte vorsichtig, Kirsten«, mahnte er mich eindringlich.
    »Natürlich.«
    Plötzlich dachte ich, dass wir beide uns lange nicht mehr so nah gewesen waren. Dale hatte ziemlich schnell zwei Gläser Wein getrunken, seine Züge wirkten weich und offen, die Augen glänzten. Ich fühlte mich bei ihm geborgen nach den Wirren dieses Tages. Wenn er jetzt nur eine Andeutung machte, würde ich mit in die Antonstraße gehen, wo doch einmal auch mein Zuhause gewesen war. Sicherheit, Schutz, Ruhe – dort und mit ihm war all das möglich.
    »Du nimmst bestimmt einen Nachtisch?«, fragte er lächelnd.
    »Mindestens einen«, antwortete ich.
    »Probier mal die Cannoli mit Ricotta, das ist bestimmt was für dich.«
    Als Ostküsten-Amerikaner war Dale mit guter italienischer Küche aufgewachsen und hatte eine Nase dafür, wo man hier in Deutschland ordentliche Pasta und leckere Süßspeisen bekam. Auch den unspektakulären Familienbetrieb ›Da Michele‹ hatte er vor Jahren entdeckt; früher waren wir oft zusammen hier gewesen. Ich vertraute seinem Urteil, und wir bestellten das Dessert.
    Der Kellner, der über unsere Entscheidung regelrecht erfreut schien, war kaum verschwunden, als Dales Handy klingelte. Er zuckte die Schultern und stand auf, ging an die offen stehende Tür. Ich sah, wie er seine Zigaretten hervorzog und eine ansteckte, betrachtete seine schmale Gestalt. Es war nicht Jess, dachte ich, dazu wirkte seine Haltung zu angespannt. Er lachte nicht ein einziges Mal, sprach überhaupt nur wenige Sätze, bevor er das Handy wieder einsteckte. Dennoch blieb er einen Moment vor der Tür stehen, nahm ein paar tiefe Züge von der Zigarette, die er dann in weitem Bogen auf die Straße schnipste.
    »Das war ein verzweifelter und betrunkener Andreas, der mich beauftragen wollte, dich zu suchen«, teilte er mir mit, als er wieder am Tisch saß.
    »Was? Dich beauftragen?«
    Dale lächelte ironisch. »Ich hab ihm gesagt, dass ich dich ganz umsonst sicher nach Hause bringe. Aber erst, nachdem wir unseren Nachtisch gegessen haben.«
    Er ließ es sich nicht nehmen, mich wirklich in die Böhmische Straße zu begleiten, und ich sträubte mich nicht lange. Es war ein milder Abend mit wenig Betrieb auf den Straßen und in den Kneipen der Neustadt. Ein paar Punks debattierten den Lauf der Welt vor der ›Scheune‹, gegenüber an der Döner-Bude standen zwei Mädchen in hochhackigen Schuhen. Ein Mann um die 40 fuhr mit einem Tretroller über die Straße.
    »Könntest du das aufgeben?«, fragte ich Dale, nachdem ich mein Fahrrad um ein sich küssendes Pärchen herumgeschoben hatte. Eine Anspielung auf Jess und die Tatsache, dass er wiederholt überlegt hatte, zu ihr nach New Jersey zu ziehen.
    Es dauerte einen Moment, bis er antwortete. »Wenn ich einen guten Ersatz sähe.«
    Eigentlich hätte ich nun ironisch darauf hinweisen müssen, dass das, was er mir von Trenton erzählt hatte, nicht dafür sprach. Ich ließ es. Ich wusste, dass er nicht die Stadt meinte.
    Vor unserer Haustür musste ich eine Zeit lang in meiner Tasche herumkramen, bis ich den Schlüssel fand. Dale blickte angelegentlich auf die andere Straßenseite, schien sich für einen Laden mit Naturkosmetik zu interessieren. Endlich hielt ich den Bund in der Hand.
    »Also, danke für den schönen Abend.«
    Er nahm mich in die Arme, meine Wange streifte seine, dann schloss ich die Tür

Weitere Kostenlose Bücher