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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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versuchte, mich auf die Ausführungen der Grünen-Politikerin über wünschenswerte Aufforstungen am Rand der Dresdner Heide zu konzentrieren, war mein Unterbewusstsein mit unserem Gespräch beschäftigt. Schlagartig wurde es mir klar: Heinz Wachowiak hätte seinem Enkel keinerlei Vorhaltungen machen können. Nicht, wenn er die gleiche Magen-Darm-Infektion gehabt hatte wie Andreas. Der war schließlich quasi zu nichts in der Lage gewesen, und ein alter Mann litt garantiert stärker unter solch einer Erkrankung als ein junger.
    Natürlich konnte Herr Wachowiak auch schlicht mitbekommen haben, dass sein Enkel ihn bestahl – und aus Angst vor Folgen, wenn es dem alten Herrn wieder besser ging, hatte der ihm das Kissen aufs Gesicht gedrückt. Dass Ronnie ein Hitzkopf war, der vor kriminellen Handlungen nicht zurückschreckte, wusste ich schließlich.
    Hitzkopf, Wirrkopf? Wie kam es überhaupt, dass ein junger Mann, der in einem eher linken Jugendclub gearbeitet, eine Aktion gegen rechts mitgetragen hatte, bei den Nazis landete?
    Überrascht stellte ich fest, dass das Pressegespräch schon beendet war. Die Kollegen zogen bereits ihre Jacken über, brachen auf. Ich ging zu Cindy John, die ich von früheren Terminen kannte, nach vorn, entschuldigte mich und fragte nach ihren letzten Äußerungen über die Positionen des Stadtrats.
    Sie war nicht begeistert, listete aber trotzdem noch einmal knapp die unterschiedlichen Aussagen auf.
    »Danke sehr.« Plötzlich hatte ich eine Idee. John machte immerhin schon seit 15 Jahren Politik. »Meine Unaufmerksamkeit hat einen Grund. Ich beschäftige mich mit einer schwierigen Geschichte. Sie haben doch da bestimmt Erfahrungen: Mir kommt es seltsam vor, dass ein Jugendlicher, der sich in linken Kreisen bewegt hat, plötzlich bei Neonazis anzutreffen ist.«
    Die Frau schob ihre Brille hoch. »Das ist leider nicht so selten. Das prominenteste Beispiel sollten Sie auch kennen – und der war kein Jugendlicher: Horst Mahler.« Ich nickte. Natürlich, der ehemalige RAF-Anwalt, der heute zu den Rechtsextremen gehörte. »Bei jungen Leuten, die auf der Suche nach Orientierung sind, stoßen Sie häufig auf so etwas.« Sie griff nach ihrer Aktentasche. »Aber zum Glück gibt’s das auch umgekehrt. Wenn ich Ihnen damit helfen konnte.«
    *
    Als ich in die Redaktion kam, war die Konferenz gerade vorbei. Martin hatte mir einen Zettel mit Terminen auf die Tastatur gelegt.
    »Falls dich jemand wegen des Angriffs auf Andreas und der Schmierereien hier interviewen will, es bleibt dabei: Wir sagen nichts, verweisen auf die Kripo«, informierte Christina mich.
    Ich wollte nicht nachfragen, inwieweit Andys zurückgezogene Aussage bereits allgemein bekannt war, und nickte nur, während ich mein Tagespensum sichtete. Um eins musste ich in Gorbitz sein. Da lag die Friedrichstadt doch fast auf dem Weg. Ich griff nach meiner Jacke, die ich über die Stuhllehne gehängt hatte, und verschwand wieder, bevor mich jemand für weitere Aufgaben einspannen konnte. Das schlechte Gewissen unterdrückte ich mit dem Gedanken, dass ich die Story vom Mordfall Heinz Wachowiak exklusiv hatte. Hantzsche hatte mir zugesagt, dass ich darüber berichten durfte. Ich sollte ihn am Nachmittag anrufen, um zu besprechen, was genau ich öffentlich machen konnte. Andy hätte über diesen Kompromiss die Nase gerümpft, ich fand jedoch, es war eine faire Übereinkunft.
    Ich hatte Glück: Kaum war ich am Hauptbahnhof, lief eine S-Bahn ein, die mich blitzschnell in die Friedrichstadt brachte, und in der sonnigen Wachsbleichstraße sah ich Michaela Kattner aus ihrer Haustür treten. Ich setzte zu einem Sprint an und sprach sie außer Atem an.
    »Ach, Sie sind es.« Begeistert hörte sich das nicht an. »Ich wollte gerade einkaufen.« Trotz des warmen Wetters trug sie einen dunkelgrauen Trenchcoat, den Gürtel eng zugezogen, was sie sehr dick aussehen ließ. Zögernd wandte sie sich nach links.
    »Darf ich Sie begleiten?«, bat ich, und nahm ihr Schweigen als Zustimmung.
    »Haben Sie dafür gesorgt, dass die Beerdigung abgesagt wurde?«, fragte sie nach einer Weile. Deshalb war sie so ablehnend. Natürlich, es musste ein Schock sein, wenn die Beisetzung eines geliebten Menschen auf die letzte Minute verhindert wurde.
    »Nein, da überschätzen Sie meine Möglichkeiten«, versicherte ich ihr. »Haben Sie schon mitbekommen, dass die Obduktion ergeben hat, dass Ihr Großvater umgebracht wurde?«
    »Was?« Michaela Kattner blieb wie angewurzelt

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