Ruchlos
den dünnen Nylons.
Irgendwie schafften wir es bis ins Schlafzimmer und aufs Bett. Selbst bei der weichen Unterlage hatte Andy Schmerzen, die er nicht unterdrücken konnte. Dennoch lag er danach selig lächelnd neben mir.
»Andreas Rönn, wir bekommen ein Kind«, sagte ich endlich. Aber da schlief er schon tief und fest.
*
»Ist sich Hantzsche sicher, dass er mit Ronnie den Täter hat?«, fragte ich Dale, als wir am nächsten Morgen in seinem Auto, dem alten Fiesta, saßen und hinaus nach Plauen fuhren.
Es war ein trüber, kühler Tag, der erste richtige Herbsttag. In den frühen Morgenstunden hatte es zu regnen begonnen, sodass die herabgefallenen Blätter die Straße rutschig machten. Fußgänger hetzten mit hochgeschlagenem Kragen unter Regenschirmen daher, ein Fahrradfahrer kämpfte sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit die Friedrich-Löffler-Straße hoch.
»Das macht ihn doch gerade zu einem so guten Cop, dass er sich nie sicher ist.« Dale wusste, wovon er sprach. Er hatte selbst in Trenton und Atlantic City insgesamt sieben Jahre als Polizist gearbeitet, und es waren nicht zuletzt die vielen schlechten Kollegen gewesen, die ihn hatten den Dienst quittieren lassen.
Oben auf dem Berg hielt Dale sich rechts, wir fuhren die Münchner Straße entlang. Links lag die Technische Universität.
»Wie war dein persönlicher Eindruck von Ronnie gestern? Du hast doch mit ihm gesprochen, oder?«
»Ja, sicher.« Dale machte eine unentschlossene Geste. » Bockig. Er war’s nicht. Das rotzt er jedem entgegen, sonst aber kaum was. Er scheint nicht zu begreifen, wie ernst die Lage für ihn ist.«
»Was meinst du denn nun? War er es?« Ich hatte ihm bereits von meinen Zweifeln berichtet.
»Ich habe den Auftrag, seine Unschuld zu beweisen.« Mit gerunzelter Stirn schaute er mich an. »Aber wenn du die Wahrheit wissen willst: Daran glauben tue ich nicht unbedingt.«
Nach einiger Zeit bogen wir links in die Passauer Straße ein; an deren Ende stand ein unscheinbarer, langgestreckter Zweckbau. ›VitalMed‹ las ich auf dem über der Tür angebrachten blau-grünen Schild. Dale fuhr auf den Parkplatz, der fast komplett belegt war. Er stellte die Zündung ab.
»Ist Andreas sehr sauer, dass er hier nicht mit dabei ist, nachdem er die Vorarbeit geleistet hat?«
»Es war klar, dass er in seinem Zustand nicht in Erscheinung treten kann«, wich ich aus.
Natürlich wurmte es Andy noch immer, dass ich Dale angeboten hatte, mitzukommen, wenngleich er beruhigt zu sein schien, dass ich einen Beschützer an meiner Seite hatte. Was ich mir für ihn ebenfalls wünschen würde. Ich hatte ihn gebeten, die Wohnung nicht zu verlassen, worauf er aber bestimmt nichts geben würde.
Wir stiegen aus und betraten das Gebäude. Ein Pförtner fragte, wohin wir wollten, und bat uns, einen Moment zu warten.
Der Moment zog sich, und wir standen unschlüssig in dem kleinen Eingangsbereich, in dem es weder Sitzgelegenheiten noch irgendetwas zu betrachten gab. An der Wand neben dem Pförtnerfenster befand sich eine moderne, digitale Stechuhr. In seiner Loge stand ein Schreibtisch, darauf ein aufgeschlagener Aktenordner und ein Telefon sowie die Zeitung, in der der Mann gelesen hatte, als wir hereinkamen. Dumpfer Maschinenlärm drang durch die Milchglastür an der Seite.
Dale wippte auf den Fußballen, als wolle er sich zum Joggen warm machen. In seiner abgewetzten Lederjacke, die Nylontasche mit der Kameraausstattung über der rechten Schulter, musste ihm jeder den Fotografen abnehmen.
Gerade als ich den Pförtner bitten wollte, ein weiteres Mal bei unserem Gesprächspartner anzuklingeln, öffnete sich die Tür, die Geräusche wurden lauter und ein schlanker Mann Ende 50 kam mit ausgestreckter Hand auf uns zu.
»Es tut mir leid, dass Sie warten mussten. Brueckner. Wir hatten telefoniert.«
Dr. Brueckner war der Geschäftsführer der ›VitalMed GmbH‹. Andy hatte, angeblich als Angestellter einer privaten Krankenversicherung, mit einem Herrn Arndt, eine Hierarchie-Ebene tiefer, gesprochen. Als ich anrief, hatte man mich sofort mit dem obersten Chef verbunden.
»Bertram. Das ist Herr Imhaus, der Fotograf.« Nach all den Jahren in Deutschland hörte man Dales Akzent nur noch so schwach, dass er als Deutscher durchgehen konnte. Matthias Imhaus war ein freier Fotograf, der ab und zu für die Zeitung arbeitete. Er würde nichts dagegen haben, Dale seinen Namen zu borgen.
Brueckner stutzte kurz, gab dann auch ihm die Hand. » Über Fotos hatten
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