Ruchlos
wir im Vorfeld nicht gesprochen, aber gut. Wir setzen eine hübsche junge Mitarbeiterin an eine Maschine, mein altes Gesicht wollen Ihre Leser bestimmt nicht sehen.«
»Sie stehen für das Unternehmen«, schmeichelte ich ihm.
Er winkte ab. »Gehen wir in mein Büro.«
Hinter der Tür führte eine schlichte Steintreppe hoch, die eigentlichen Fabrikationsräume bekamen wir noch immer nicht zu sehen. Im ersten Stock hielt Brueckner uns die Tür zu einem mittelgroßen Raum auf, wies auf die Ecke, in der vier Ledersessel um einen niedrigen Tisch gruppiert waren, fragte, ob wir etwas trinken wollten. Dale winkte ab, ich bat um ein Wasser, das der Chef über die Sprechanlage orderte, dazu einen Kaffee für sich selbst.
»Ich hatte mir eine solche Fabrik größer vorgestellt«, begann ich das Gespräch.
»Wir sind das klassische mittelständische Unternehmen«, lautete die Antwort. »53 Angestellte. Und wir sind, wenn ich das gleich zu Beginn sagen darf, sehr stolz darauf, unsere Position am Markt gegen viel größere Mitbewerber zu verteidigen. Nicht zuletzt durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Hyazinthus-Krankenhaus.«
Oha, da trat aber jemand die Flucht nach vorn an, dachte ich und kritzelte ein paar Worte auf meinen Notizblock, nickte aufmunternd.
Ich fragte nach der Geschichte der Firma, erfuhr, dass sie direkt nach der Wende von einem Heidelberger Labortechniker gegründet worden war – wegen der geringeren Löhne im Osten, so viel klang zwischen den Zeilen an –, dass zunächst ausschließlich Zahnprothesen gefertigt wurden und man seit sechs Jahren die komplette Produktpalette im Bereich der Prothetik anbiete.
»Es gibt heutzutage ein enormes Spektrum allein an Materialien. Goretex kennen Sie vermutlich aus dem Outdoor-Bereich?« Brueckner schaute Dale an, dem er wohl eher Gebirgswanderungen zutraute als mir in meinem Hosenanzug. »Es ist aber auch einer der hochwertigsten Stoffe, aus denen wir Prothesen herstellen können. Teflon-Membran …«
Das ließ er quasi in der Luft hängen, und ich fragte nicht nach, was es damit auf sich habe, sondern äußerte die Vermutung, dass die unterschiedlichen Materialien verantwortlich seien für die Preisunterschiede.
»Jein.« Der Geschäftsführer zögerte, schien ein wenig irritiert. »Natürlich kostet beispielsweise Kobalt-Chrom richtig Geld. Aber auch die Fabrikation ist unterschiedlich aufwendig. Das spiegelt sich natürlich in den Preisen, die ich erzielen muss, wider.« Er rührte in seiner Kaffeetasse ohne zu trinken.
»Würden Sie sagen, dass Sie sich auf hochwertige Gelenke spezialisiert haben?«
»Wie ich Ihnen schon sagte, bieten wir die gesamte Palette an. Neben Gelenkprothesen auch nach wie vor Zahnprothesen.«
Ich trank einen Schluck Wasser, Dale spielte mit seiner Kamera herum. Wie ein richtiger Fotograf saß er ruhig dabei, schien nur auf seinen Einsatz zu warten. Ich war jedoch sicher, dass er aufmerksam zuhörte und die kleinen Ungereimtheiten registrierte.
»Für das Hyazinthus-Krankenhaus fertigen Sie vorwiegend hochpreisige künstliche Gelenke?«, hakte ich nach.
Ja, dort lege man großen Wert auf Qualität, lautete die Antwort.
»Sie wissen aber bestimmt, dass einige Ihrer angeblich besonders guten Gelenke schon nach kurzer Zeit Schmerzen verursachten?«
Brueckner blieb ganz ruhig. »Wir hatten bei rund 100 Gelenken, die wir in den vergangenen Jahren an das Krankenhaus geliefert haben, bislang zwei Beschwerden. In einem Fall hatte die Patientin nach der Operation stark zugenommen, was eine Haftung unsererseits ausschließt, den anderen müsste man genauer untersuchen. Sollte ein Fehler unseres Hauses vorliegen, werden wir natürlich für eine Ersatzprothese aufkommen.« Er blickte mich entschlossen an. »Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, würde ich Sie gern durch die Produktion führen.«
11 . KAPITEL
»Er hat sich doch total widersprochen. Die ganze Produktpalette«, ahmte ich Brueckners Stimme nach, »aber für Hyazinthus nur die hochpreisigen Gelenke. Und das blöde Theater mit den Zahnprothesen!«
Ich redete mich in Rage, weil Dale gesagt hatte, er sähe nach dem Gespräch keinen Ansatzpunkt für weitere Ermittlungen gegen die Firma.
»Er war nicht vollkommen logisch, ja. Wenn das strafbar wäre, säßen aber viele Leute im Knast. Du selbst auch, das weißt du doch wohl.«
Wir standen in einer langen Schlange vor einer Ampel. Obwohl der Regen aufgehört hatte, sah nach wie vor alles grau und dunstig aus. Ein
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