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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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Taxi.«
    Noch immer wehrte ich mich gegen den Gedanken, dass diese Nazis unseren Alltag bestimmten, aber sie taten es ganz offensichtlich.
    Andy wollte das partout nicht akzeptieren, ich blieb jedoch hartnäckig. Immerhin war ich körperlich fit und konnte deshalb im Zweifelsfall mit einer gefährlichen Situation besser umgehen als er, dachte ich. Laut versuchte ich, das Ganze ins Lächerliche zu ziehen, erinnerte ihn an seine eigenen Diätbemühungen und kappte schließlich das Gespräch. Direkt danach versuchte ich, Frau Gärtner zu erreichen, hatte aber kein Glück.
    Ich machte mich wieder an meine Arbeit, probierte diverse Anspielungen auf die zeitliche Übereinstimmung aus, schrieb schließlich ganz schlicht, dass ›die »VitalMed GmbH« seit dem Antritt Frau Dr. Valerie Ehrhards als Chefärztin der Hyazinthus-Orthopädie auch künstliche Gelenke fertigt und seitdem mit dem Krankenhaus besonders gut zusammenarbeitet.‹
    *
    Der Termin zog sich. Um halb acht begann die Dresden-Touristik nach einem Begrüßungstrunk mit der Multimedia-Präsentation des Vermarktungskonzepts, das vor allem junge Leute in die Stadt holen sollte und fast eine Stunde dauerte.
    Danach wollte ich Andreas anrufen, um ihm zu sagen, dass er sich keine Sorgen machen brauche, wenn es später würde. Es klingelte allerdings nur einmal, dann erstarb der Akku meines Handys. Verdammt! Bevor ich losgegangen war, hatte ich mich extra vergewissert, dass die Batterie geladen war. Zwei Striche hatte das Gerät angezeigt. Und nun das.
    Meine Kollegen waren schon sämtlich aus dem kleinen Konferenzraum in das Restaurant gewechselt, wo ein herrlich gedeckter Tisch wartete. Jetzt jemanden zu bitten, mir sein Handy zu leihen oder an der Theke nach dem Telefon zu fragen, wäre sehr unhöflich gewesen, zumal mir der Gastgeber, der Chef der Dresden-Touristik, entgegenkam und mich persönlich an die Tafel führte.
    Es würde schon nicht allzu spät werden. Ich setzte mich und las das kleine Kärtchen neben meinem Teller, auf dem ein Drei-Gänge-Menü angekündigt wurde, dessen Beschreibung mir das Wasser im Mund zusammenlaufen und mich meine Bedenken vergessen ließ. Andreas kannte diese Termine schließlich. Er würde sich denken, dass die Präsentation lange gedauert hatte.
    Es war bereits nach neun, als die Hauptspeise, Lammkarree mit Feigenkruste, aufgetragen wurde. Der Chef der Touristik hielt mich intensiv in ein Gespräch verwickelt. Endlich wandte er sich meinem Sitznachbarn zu, kurz darauf wurden die Teller abgeräumt und ich bat, man möge mir ein Taxi bestellen. Falls es kam, bevor ich den Crêpe mit Apfelschaum essen konnte, würde ich mich zwar ärgern, aber ich war sicher, dass Andy mittlerweile wirklich nervös auf meine Rückkehr wartete.
    Ich konnte jedoch in Ruhe mein Dessert genießen. Auch als etliche aus der Runde einen abschließenden Espresso tranken, andere schon aufbrachen, war noch kein Taxi erschienen. Doch, sie habe angerufen, beteuerte die Bedienung und erbot sich, noch einmal nachzufragen.
    Als die letzten Gäste unserer Gesellschaft die ›Alten Meister‹ verließen, schloss ich mich ihnen an. Es konnte ja nicht mehr lange dauern. Ich ging ein paar Meter nach vorn, aus dem idyllischen Vorhof des Restaurants heraus, auf den Weg, der an der Sempergalerie mit den nicht-kulinarischen Alten Meistern entlangführte. Der Wagen würde in die kleine Straße einbiegen, die hinter Grünflächen und einem Springbrunnen an der Seite des Theaterplatzes lag.
    Die große, an eine italienische Piazza erinnernde Fläche inmitten des touristischen Zentrums lag menschenleer da. Im gelblichen Schein der nostalgischen Straßenlampen schimmerte das Kopfsteinpflaster. Anscheinend hatte es heute keine Aufführung in der Semperoper gegeben und das feucht-kühle Wetter hielt Bummler fern. Ab und an rollte ein Auto über die Augustusbrücke und die Sophienstraße, sonst war kein Geräusch zu hören. Wieder setzte leichter Nieselregen ein. Ich schlug den Kragen meines Trenchcoats hoch. Wenn ich einfach zügig loslief, über den Platz und die Brücke auf die Neustädter Seite, dann durch die Hauptstraße, über den Albertplatz und die Alaunstraße, war ich in 20 Minuten zu Hause.
    Schon war ich zwischen zwei Rasenstücken bis an das Sträßchen gegangen, als mir zwei Gestalten an dem Denkmal des sächsischen Königs, dessen Namen ich immer wieder vergaß, auffielen. Sie trugen dunkle Kleidung, wodurch sie im Schatten des hohen Sockels kaum auszumachen

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