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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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musste unbedingt die Kripo informieren.
    Bahnhof Mitte, Weißeritzstraße, Friedrichstraße, Klinikgelände, Notaufnahme.
    Déjà-vu, ich fühlte mich wie in einem Film, und das half mir wahrscheinlich, nicht durchzudrehen.
    »Rippenfraktur, vermutlich Serie«, sagte der Notarzt. » Verdacht auf Pneumothorax. War Patient hier, wenn ich das richtig verstanden habe.«
    Fragende Blicke auf mich, ich nickte, nannte Andreas’ Namen und die Fakten, während Andy auf eine andere Trage gehoben wurde und zwei Pfleger mit ihm verschwanden.
    »Wo bringen Sie ihn hin?« Unvermittelt schossen mir wieder die Tränen in die Augen.
    »Zum Röntgen. Wir müssen wissen, ob die Lunge verletzt ist«, sagte eine Krankenschwester. »Nehmen Sie doch hier Platz.« Sie wies auf eine Reihe schwarzer Freischwinger und verschwand.
    Ich konzentrierte mich darauf, mit dem Weinen aufzuhören, registrierte irgendwann, dass ich noch immer in die Decke aus dem Rettungswagen gehüllt und mir trotzdem kalt war. Die Lunge verletzt. Durchbohrt von einer der Rippen? Was konnte das bedeuten? Ich knetete die Deckenzipfel mit beiden Händen, versuchte, an etwas anderes zu denken. Ich musste die Polizei anrufen. Diese jungen Männer …
    »Frau Rönn?« Ich sprang auf. »Nein, Bertram. Aber ich bin … was ist mit Herrn Rönn?«
    Vor mir stand ein kleiner Mann Anfang 60 mit schütterem Haar. »Dr. Stricker.« Er musterte mich aufmerksam. »Was ist mit Ihnen? Sind Sie schon untersucht worden?«
    »Ich habe nichts, ich friere bloß ein wenig. Herr Rönn, bitte.« Meine Stimme war ganz schwach geworden.
    »Die Lunge ist leicht verletzt. Wir müssen eine Dränage legen, damit die eingedrungene Luft aus dem Brustkorb entweichen kann. Wir bereiten gerade alles dafür vor. Zum Glück haben wir ja die Patientenakte hier – keine Allergien, soweit ich sehen kann.« Er blickte auf einen Bogen Papier in seiner Hand.
    Mir wurde schwindlig und ich spürte, wie meine Hände sich um die Decke krampften. »Was heißt das?«
    »Keine Angst. Wir behalten ihn so lange wie nötig auf der Intensivstation.«
    Was war das für eine Antwort?
    »Aber Sie gefallen mir überhaupt nicht. Was ist denn passiert?« Endlich meinte ich, echte Anteilnahme in seiner Stimme zu hören, nicht bloß professionelle Pflichterfüllung. »Gehen Sie doch mal bitte dort durch die Tür und in den Untersuchungsraum 3. Ich möchte Sie mir gerne ansehen.«
    »Aber …«
    Er schob mich sanft in das Zimmer, wo ich mich auf eine Untersuchungsliege setzte, die Decke wie einen Poncho um mich gewickelt. Ich hatte keinerlei Zeitgefühl mehr und erschrak, als ich auf meine Armbanduhr blickte: Es war kurz vor Mitternacht. Jetzt würde ich niemanden bei der Kripo erreichen. Vielleicht stand Hantzsches Privatnummer im Telefonbuch, aber selbst wenn: Was könnte er tun, mitten in der Nacht?
    Endlich kam Dr. Stricker herein, teilte mir mit, dass er Andreas eine Dränage gelegt hätte und er auf dem Weg zur Intensivstation sei, maß dann bei mir Blutdruck und Temperatur, kontrollierte Puls und Reflexe.
    »Sie haben einen leichten Schock und sind stark unterkühlt. Ich würde Sie gerne ebenfalls über Nacht hierbehalten, nur zur Sicherheit.«
    Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Ja, ich wollte nah bei Andy sein, aber solch eine übertriebene Fürsorge mir gegenüber? Was steckte dahinter? Wusste der Arzt von unserem Verdacht gegen die Klinik? War Andy hier überhaupt in Sicherheit? Es war in diesem Haus gewesen, dass zwei Schläger ihn von der Station geholt hatten.
    »… ein leichtes Beruhigungsmittel.« Dr. Stricker hielt eine Spritze in der Hand.
    »Nein!« Ich klang schrill. »Nein, ich bin schwanger, bitte nicht.«
    »Gut, der Wirkstoff ist zwar zulässig bei Schwangerschaften, aber wenn Sie nicht wollen. Dann bringt die Schwester Sie auf die Station.«
    Ob das die richtige Entscheidung gewesen war? Ich landete in einem Dreibettzimmer zwischen einer schnarchenden, alten Frau und einer leise vor sich hinschluchzenden jüngeren. In einem Krankenhaushemdchen lag ich zitternd unter zwei Decken, die Beine hochgelagert. Es dauerte Ewigkeiten, bis mir warm wurde, und ich dachte die ganze Zeit an Andreas auf der Intensivstation. Am liebsten wäre ich direkt wieder aufgestanden und hätte ihn gesucht.
    Als im Morgengrauen eine Krankenschwester zum Fiebermessen kam, hatte ich das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein. Meine Temperatur war normal, ebenso der Puls. Dankbar stieg ich aus dem Bett, wusch mich in dem

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