Ruchlos
die Kollegin von der Spurensicherung, begutachtete die Schmiererei, streckte mir die Hand entgegen.
In der Küche erzählte ich ausführlich vom gestrigen Abend.
»Sie wissen nicht, ob diese Männer Herrn Rönn überfallen haben oder ob er wegen der Anstrengung zusammengebrochen ist?«, fragte Hantzsche.
»Nein. Sichtbare neue Verletzungen hat er nicht. Und er ist zurzeit nicht in der Lage, eine Aussage zu machen«, fügte ich gleich an.
»Können Sie eine Beschreibung der Männer abgeben?«, wollte Clausnitzer wissen. Er rührte in seiner Kaffeetasse herum.
Zögernd nickte ich. »Ich kann es versuchen.«
»Sie erstatten Anzeige und helfen uns weiterhin?«
»Ja, natürlich.«
»Gut.« Er fixierte mich mit festem Blick, und ich dachte, dass er mindestens zehn Jahre jünger als ich war, aber desillusioniert wirkte wie ein tausendfach enttäuschter 50-Jähriger.
»Ich musste gestern Ronnie Meyersfeld laufen lassen«, berichtete Hantzsche. »Der war wohl nicht dabei?«
»Was? Nein. Wieso haben Sie ihn freigelassen?«
»Herr Ingram hat sein Alibi beigebracht. Herr Meyersfeld hat den betreffenden Abend mit seiner Cousine verbracht.«
»Mit welcher Cousine?«
»Mit der Mutter des kleinen Jungen.«
Ich schüttelte den Kopf. Deshalb war Michaela Kattner so seltsam gewesen, als die Rede auf Ronnie kam. »Aber …«
»Keine Sorge. Wir haben den jungen Mann noch auf dem Zettel«, winkte Hantzsche ab. »Sie könnten zu Herrn Ingram ziehen«, sagte er dann unvermittelt, mit Blick auf Clausnitzer. Der zuckte die Achseln.
»Können Sie Frau Bertram schützen, Herr Kollege?«, fragte er direkt.
Der Jüngere schnitt eine Grimasse. »Sie kennen die Antwort.«
»Eben. Ingram ist ein ehemaliger Polizist, Privatdetektiv.«
»Und mein Exfreund«, ergänzte ich.
»Sie sind doch erwachsene Menschen, oder? Wir können hier in Dresden nicht für Ihre Sicherheit garantieren, Sie wollen die Stadt nicht verlassen. Wir müssen eine Lösung finden.« Hantzsche zerbröselte einen Zuckerwürfel zwischen den Fingern. »Sie können unmöglich allein hier in der Wohnung bleiben. Sie sollten auch, wo wir gerade dabei sind, keine Abendtermine wahrnehmen.« Er klang sehr bestimmt.
»Aber …« Ich wusste keine Alternative, dachte bloß, dass ich das Dale nicht antun konnte.
»Wir räumen der Fahndung nach diesen Schlägern oberste Priorität ein«, versicherte Clausnitzer, »und versuchen unser Möglichstes, den ganzen sogenannten Sturmtrupp auszuheben. Aber das braucht ein wenig Zeit.«
»Was ist mit Herrn Rönn? Um ihn müssen Sie sich kümmern«, forderte ich.
Hantzsches Blick, der mich bislang fixiert hatte, ging zu seinem Kollegen. Der nickte.
»Ja, das kriegen wir hin. Bis es ihm besser geht, wird jemand vor seinem Zimmer postiert. Tag und Nacht.«
*
»Hast du freie Kapazitäten für einen Job als Leibwächter?«, fragte ich in betont lockerem Ton.
Ich war mit gepackter Reisetasche in die Redaktion gekommen, da Hantzsche darauf bestanden hatte, dass ich am Abend nicht in unsere Wohnung zurückkehrte. Falls Dale nicht zustimmen würde, sollte ich mich unter falschem Namen in einem Hotel einquartieren.
»Was ist passiert?« Dale war sofort alarmiert.
Ich gab den gestrigen Abend wieder, wobei ich versuchte, alles ein wenig herunterzuspielen, erwähnte zum Schluss die Schmiererei an unserer Wohnungstür. »Jetzt meint Hantzsche, dass ich ein Kindermädchen brauche.«
Jonas Michaelis hatte während meiner letzten Sätze den ansonsten leeren Raum betreten, er starrte mich mit leicht offen stehendem Mund an.
Dale räusperte sich: »Ich stehe zu Diensten.«
»Dale, ich weiß, dass das komisch ist …«
»Ich stehe zu Diensten, wenn du mir fest zusagst, dass du nichts mehr auf eigene Faust unternimmst. Sobald es dunkel wird, bleibst du hier, auch wenn ich nicht da bin, und du befolgst alles, was Hantzsche oder ich sagen!«
Wie er das herunterratterte, meinte ich, den Cop zu hören, der er mal gewesen war.
»Und im Morgengrauen gibt’s den Appell zum Frühsport«, ahmte ich seine Stimme nach. Herr Michaelis schaute endlich weg.
Dale begann zu lachen. »Jawohl!«
Wir vereinbarten, dass ich um sieben Uhr bei ihm sein würde. Er wollte mich in der Prager Straße abholen, davon konnte ich ihn abbringen. Tatsächlich hielt die Angst mich stärker im Griff, als ich zugab. Ich hatte Martin unter vier Augen berichtet, was geschehen war, und ihn gebeten, mir keine Abendtermine zu geben. Er machte den Vorschlag, mich für die
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