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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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fuhr dann fort.
    »Der Eingriff ist gut verlaufen, jetzt braucht er vor allem Ruhe. Und zwar auch, wenn wir die Dränage ziehen. Er muss unbedingt hierbleiben, bis die Rippenfraktur so weit ausgeheilt ist, dass keine Gefahr mehr besteht.«
    Ich nickte. Und wenn ich Andy persönlich im Krankenhausbett anketten musste, er würde sich nicht wieder selbst entlassen. Andererseits: Sollte er wirklich hier, im Hyazinthus, bleiben? Vielleicht sollte ich ihn in eine andere Klinik bringen lassen.
    Von der Intensivstation würde er aller Voraussicht nach bereits heute auf eine normale Station verlegt, so Dr. Stricker. » Machen Sie sich nicht zu große Sorgen.« Nun klang er geradezu väterlich. »Das Schlimmste hat er überstanden.«
    *
    Es war kalt und noch immer nicht richtig hell, als ich aus dem Gebäude trat. Ich beschloss, mir ein Taxi nach Hause zu gönnen, wo ich in Ruhe darüber nachdenken wollte, was ich tun konnte. Ich war also definitiv die nächsten Tage, vielleicht sogar Wochen, auf mich allein gestellt. Und irgendwo da draußen liefen Nazis herum, die mich auch gerne im Krankenhaus sehen würden.
    Aber ich konnte doch nicht vor ihnen davonlaufen, dachte ich, während ich die Stufen zu unserer Wohnung hochstieg. Auf dem Treppenabsatz schaute ich auf und hätte fast laut aufgeschrien. ›Verreckt‹ stand quer über unsere Tür und die angrenzende Wand gesprüht – die gleichen Schriftzeichen wie am Verlagsgebäude. Mit zitternden Händen schloss ich auf, wobei ich den Kopf zur Seite wandte, um die Botschaft nicht sehen zu müssen, flüchtete hinein.
    Sie waren bis vor die Wohnung gekommen. Fast fühlte ich mich, als wären sie jetzt hier, verhöhnten mich in meiner scheinbaren Sicherheit. Ich holte tief Luft und blickte in alle Räume, drehte einen tropfenden Hahn im Bad zu, ließ mich schließlich im Arbeitszimmer auf meinen Schreibtischstuhl sinken und starrte ins Nichts. Endlich rief ich auf dem Polizeipräsidium an und fragte nach Herrn Clausnitzer. Der habe erst in einer Stunde Dienstbeginn, teilte man mir mit. Das Gleiche galt für Kommissar Hantzsche. Ich bedankte mich und legte auf. Logisch, es war gerade erst sieben Uhr. Im Telefonbuch fand ich Hantzsche nicht. Ich spürte, wie die Angst wieder in mir hochkroch, und ging in die Küche, um mich abzulenken. Sorgfältig deckte ich den Frühstückstisch, zwang mich dann, den schmutzigen Hosenanzug gegen Jeans und Pulli auszutauschen und etwas zu essen und zu trinken.
    Um halb acht hielt ich es nicht länger aus und drückte die Wahlwiederholungstaste. Clausnitzer war noch nicht im Hause, aber bei Hantzsche hatte ich Glück. Ich seufzte erleichtert auf und berichtete so strukturiert wie möglich, was passiert war. Er versprach, sofort mit der Spurensicherung vorbeizukommen und Clausnitzer eine Nachricht zu hinterlassen, dass er folgen solle.
    Als es klingelte, dachte ich an Dales Worte und benutzte die Gegensprechanlage, die sonst bei uns ungenutzt blieb.
    Hantzsche keuchte, als er den zweiten Stock erreicht hatte, und bei aller Anspannung musste ich denken, dass er zwar noch nicht wieder die Leibesfülle besaß, die er vor seinem Herzinfarkt mit sich herumgetragen hatte, seine Kondition aber genauso grauenhaft war. Er blieb stehen und betrachtete den Schriftzug, gab dann den Weg für eine Frau im weißen Overall frei, betrat die Wohnung.
    »Wir warten auf Herrn Clausnitzer, sonst müssen Sie nachher alles wiederholen«, schlug er vor, nachdem er sich in der Küche niedergelassen und mein Kaffeeangebot angenommen hatte.
    Dankbar registrierte ich, dass er wohl so schnell gekommen war, um mir Beistand zu leisten. Ich hantierte mit der Kaffeemaschine, stellte Tassen, Milch und Zucker auf den Tisch, dann gab es nichts mehr zu tun und ich setzte mich ihm gegenüber.
    »Vielleicht aber schon so viel.« Der Kommissar schaute mich ernst an. »Sie sind in Gefahr, wie es scheint. Und ich weiß nicht, wie wir Sie schützen sollen.«
    Ich schluckte, entgegnete nichts.
    »Sie kommen doch aus dem Westen, oder?«
    »Aus Dortmund.«
    »Das ist wunderbar weit weg. Wollen Sie nicht Ihre Familie besuchen?«
    Die Kaffeemaschine setzte zu ihrem lärmenden Finale an, bei dem Geruch wurde mir aus heiterem Himmel übel.
    »Nein. Nicht solange Herr Rönn hier in der Klinik liegt«, sagte ich entschieden.
    Es klingelte, und ich stand auf, um den Türöffner zu drücken. Im Gegensatz zu Hantzsche kam der junge Clausnitzer vor Energie sprühend die Treppe hochgelaufen. Er begrüßte

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