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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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angrenzenden Bad und zog die schmutzigen Sachen von der vergangenen Nacht an. Auf dem Flur war niemand zu sehen und ich beeilte mich, die Station zu verlassen.
    Vor der Intensivstation musste ich eine Weile warten, bis jemand auf mein Klingeln reagierte. Endlich erschien eine Schwester, die genauso übernächtigt aussah wie ich, fragte, zu wem ich wolle. Vorsichtshalber gab ich mich als Andreas’ Ehefrau aus, da ich nicht wusste, ob es Probleme geben würde, wenn ich von meinem Lebensgefährten sprach. Sie öffnete eine Seitentür, wies auf die grüne Schutzkleidung, die dort hing, und bat mich, auch eine Mundmaske anzulegen.
    Durch eine Schleuse betrat ich endlich einen großen Raum, dessen gekachelte Wände mich an eine Metzgerei denken ließen. Einzelne Betten standen in reichlichem Abstand zueinander, jeweils mit etlichen Apparaturen ringsherum.
    Andy fand ich wieder in halb sitzender Position vor, in seine linke Hand mündete ein Schlauch aus einem Tropf, unter der Decke sah ich auf der rechten Seite einen zweiten hervorkommen und in einen Plastikbehälter an der Seite des Bettes führen. Das musste die Lungendränage sein. Der Verband über der Wange war erneuert worden und glänzte in frischem Weiß, seine Gesichtshaut sah durchsichtig und wächsern aus. Die Augen waren geschlossen, er machte gleichmäßige, anscheinend schmerzlose Atemzüge.
    Ich ging um das Bett herum auf die linke Seite und strich ihm übers Haar. Er reagierte nicht. Erst, als ich ihn ansprach, öffnete er langsam die Augen; er schien gegen tiefen Schlaf anzukämpfen. Es dauerte, bis er realisierte, dass ich neben ihm stand, endlich spielte sich ein kleines Lächeln auf seinen Mund.
    »Schmerz- und Beruhigungsmittel«, informierte mich die Schwester.
    Andy versuchte, etwas zu sagen, ich beugte mich über ihn.
    ». musst weg«, verstand ich. »Nicht allein.«
    »Ich lass dich nicht allein«, sagte ich.
    Er riss die Augen auf, schien alle Kraft zusammenzunehmen: »Du«, kam laut und deutlich heraus, er machte eine lange Pause. »Brauchst Schutz.« Das war zwar leiser gewesen, aber noch immer verständlich. Er ließ die Lider wieder sinken.
    »Ja«, versicherte ich ihm. »Ich pass auf.«
    Eine kaum sichtbare, aber deutlich unwillige Kopfbewegung war die Antwort. Ich spürte, dass die Krankenschwester neben mir kurz davor war, mich hinauszuschicken.
    »Ich gehe zu Hantzsche und mache, was er für richtig hält.« Das endlich schien Andy zu beruhigen und damit auch die Schwester, die mich noch ein wenig an seinem Bett sitzen ließ. Ich streichelte seine Wange, bis er wieder tief und gleichmäßig atmete, während ich selbst kurz vorm Losheulen war.
    »Ist er außer Gefahr?«, fragte ich draußen die Schwester, die mit einer schwachen Bewegung die Schultern hob.
    »Das müssen Sie Dr. Stricker fragen.«
    Zum Glück hatte der mittlerweile auch sehr müde aussehende Arzt für mich Zeit. Er saß in einem kleinen Büro, vor sich einen Stapel Papier, und brauchte einige Sekunden, bis er mich wiedererkannte.
    »Sie sehen besser aus«, stellte er dann fest. »Hat Sie oben schon jemand untersucht?«
    Ich gab zu, dass ich die Station direkt nach dem Fiebermessen verlassen hatte.
    Der Arzt seufzte gequält auf. »Sie passen gut zu Ihrem Mann. Das hier ist kein Hotel. Sie sind gestern Nacht nach meinem Befund eingewiesen worden, und Sie müssen noch einmal untersucht werden, bevor wir Sie wieder gehen lassen.«
    »Sie haben gesagt, ich sehe besser aus, Temperatur und Puls waren okay, damit haben wir das doch, oder?«
    Er verzog das Gesicht, zuckte dann mit einer Schulter. » Meinetwegen. Aber Sie sagten, dass Sie schwanger sind«, fragend blickte er mich an. Ich nickte. »Dann gehen Sie um Himmels willen zu Ihrem Frauenarzt, damit Sie von der Seite her Sicherheit haben.«
    Ich bemühte mich, mein Erschrecken nicht zu zeigen, fragte stattdessen nach Andreas.
    »So weit stabil«, sagte Dr. Stricker knapp. »Wissen Sie, dass ihm gesagt worden ist, dass er sich mit dieser Rippenserienfraktur unbedingt schonen muss – wenn er schon vorzeitig entlassen wird? Und er veranstaltet Verfolgungsjagden durch den Zwinger. Also da fragt man sich als Arzt schon manchmal, warum man eigentlich seine Arbeit macht!«
    Er hatte die Stimme erhoben und ich konnte es ihm nicht verdenken. Vergeblich suchte ich nach Argumenten zu Andys Verteidigung, mir fiel allerdings nichts ein, was ich sagen konnte, ohne eine unendliche Geschichte zu erzählen. Der Arzt sah mich prüfend an,

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