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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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verwitwet. Frau Berner, mit der er sich früher so gern über die Welt unterhalten hatte, lag auf dem Zentralfriedhof, und am liebsten besuchte er sie bei strömendem Regen, denn da paßte niemand auf, ob er Bodo mit ans Grab nahm. Hunde waren auf dem Zentralfriedhof nicht erlaubt. Am Grab hielt Herr Berner dann mit seiner toten Frau Zwiesprache, mal stumm, mal sprach er direkt zu ihr, je nachdem, wieviel oder wie wenig Menschen auf dem Friedhof waren.
    Er kam einigermaßen mit seinem Leben allein zurecht, er konnte sich Bratkartoffeln machen, er wußte, wie man einen Salat zubereitet, und die Wohnung hielt er auch in Ordnung.
    Nur mit der Wäsche hatte Herr Berner Schwierigkeiten. Es war kein Problem, die Waschmaschine einzuschalten, aber er wußte einfach nicht, was man zusammen waschen durfte und was nicht, was man schleudern mußte und welche Hemden man nicht schleudern durfte, und das Bügeln war ihm gänzlich fremd. Herr Berner legte aber großen Wert auf ordentlich gewaschene und sorgfältig gebügelte Hemden, und es machte ihm zunehmend zu schaffen, daß er damit so gar nicht zurechtkam. An einem regnerischen Oktobertag, als er wieder einmal am Grab seiner Frau stand, sprach er von diesen Schwierigkeiten, bereute es, seiner Frau früher nicht besser bei dieser Art Arbeit zugesehen zu haben und bat schließlich: »Elfriede, gib ein Zeichen. Was soll ich diesbezüglich tun?«
    Doch alles blieb stumm, und schließlich machte sich Herr Berner mit Bodo auf den Heimweg. Bodo schielte, und seine Lefzen hingen ein wenig und ließen oft kleine Speichelfäden sehen, die manchmal bis zur Erde reichten. Schön war er wirklich nicht. Er war häßlich, aber für Herrn Berner war es der treue Bodo, und die Schönheit lag eindeutig im Charakter. »Ich bin ja auch nicht schön«, dachte Herr Berner und betrachtete auch nach sechsund-siebzig Jahren noch erstaunt seine dicke Nase im Spiegel. »Wie soll ich es da von einem Hund verlangen. Die Natur hat eben ihre eigenen Launen.«
    Auf dem Heimweg nahm Herr Berner an jenem stürmischen Regentag nicht den gewohnten schönen Weg an den Schrebergärten entlang, sondern er ging den kürzeren Weg quer durch kleine, dunkle Altstadtgassen, den er sonst eher mied, weil Bodo auch nicht gern auf Kopfsteinpflaster ging. Und so kam er, als hätte ihm Frau Berner doch noch ein verspätetes Zeichen gegeben, an einer chinesischen Wäscherei vorbei. Über der Tür leuchteten sehr hübsche, aber für Herrn Berner unleserliche chinesische Schriftzeichen, und darunter stand in blauen Neonbuchstaben in deutscher Sprache: »Chinesische Wäscherei«.
    Die Fenster waren beschlagen. Innen sah man Männer in weißen Kitteln oder weißen Hosen und weißen T-Shirts, die Wäsche falteten, in weißes Papier verpackten, die an großen Bügelmaschinen Bettwäsche plätteten oder an einer gespenstischen Oberhemdenbügelmaschine wahre Kunstwerke aus vorher noch faltig auf einem Tisch liegenden Oberhemden zustande brachten. Im Fenster stapelten sich Wäschepakete zum Abholen. Herr Berner sah fasziniert zu. Das war die Lösung. Diese chinesische Wäscherei würde ihm helfen, sein Wäsche- und Bügelproblem in den Griff zu bekommen. Warum hatte er diesen fabelhaften Laden nicht schon früher entdeckt! Er war seiner verstorbenen Frau sehr dankbar, daß sie ihn sanft hierher geführt hatte, und beherzt betrat er die Wäscherei. Warme Luft schlug ihm entgegen, ein Geruch von Waschpulver, Wasserdampf und Sauberkeit, und Bodo mußte niesen.
    Ein freundlicher junger Chinese fragte Herrn Berner sofort nach seinen Wünschen, und Herr Berner erkundete Gepflogenheiten, Termine und Preise der chinesischen Wäscherei und war erstaunt darüber, wie einfach und wie preiswert das alles war: »Morgens gebracht, abends gemacht« war der Slogan des Unternehmens, und die Preise schienen Herrn Berner lachhaft niedrig, gemessen an seiner eigenen Plackerei am Bügelbrett. Ganz abgesehen von den Hemden, die er sich mit seiner falschen Waschmitteldosierung oder dem regelmäßig und tückisch in der Waschmaschine versteckten schwarzen Socken schon verdorben hatte. Außerdem suchte Herr Berner stets nach kleinen Wegen und Zielen, um Spaziergänge mit Bodo machen und vielleicht ein bißchen schwatzen zu können, und diese Altstadtgasse mit einer so ordentlichen Wäscherei auf dem Weg noch dazu zum Zentralfriedhof, den er ohnehin oft aufzusuchen pflegte, erschien ihm als großer Glücksfall. Er versuchte, dem jungen Chinesen diese

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