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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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»Geschwätziger alter Mann mit dicker Nase und häßlichem Hund.«

Herr Bakker geht zur Bank
    H ERR BAKKER wohnt am Ende des Ortes. Nein. Das stimmt gar nicht. Herr Bakker wohnte am Ende des Ortes, vor zwanzig Jahren, als er pensioniert wurde. Er lebt immer noch in demselben Haus, wie damals. Genaugenommen wohnt Herr Bakker seit seiner Geburt in diesem Haus. Aber, wie gesagt, heute liegt dieses Haus nicht mehr am Ende des Ortes. Vor zwanzig Jahren baute sich Herrn Bakkers ältester Sohn Hans auf dem Grundstück hinter Herrn Bakkers Haus sein eigenes Haus. Dann baute dahinter Herrn Bakkers zweiter Sohn Max ein Haus, dann kamen andere dazu, immer mehr Leute, viele, die Herr Bakker namentlich gar nicht mehr kennt. Sie bauten große Häuser mit riesigen Gärten und vielen Garagen, Häuser mit Türmen und Schwimmbädern, Häuser mit mehreren Stockwerken, Häuser, die aussehen wie Ozeandampfer, in denen viele Familien wohnen, die sich untereinander auch nicht kennen. Es wurden immer mehr, und sie bauen immer noch, immer wieder Häuser. Und wenn man also heute sagt, Herr Bakker wohnt am Ende des Ortes, dann ist das völlig falsch. Denn inzwischen kann man sagen, Herr Bakker wohnt mitten im Ort.
    Herr Bakker ist schon ziemlich alt. Er hat Söhne, Töchter, Enkel und Urenkel. Als die einmal alle bei ihm waren, war Herrn Bakkers Garten voller Menschen, und man sah keine Blumen mehr und kein Gras. Statt dessen waren Rufe und Gelächter, Reden und Geplauder, Musik und Gesang zu hören, so daß das Eichhörn-chenpaar erschrocken in den Nachbargarten flüchtete. An diesem Abend, als alle wieder weg waren, merkte Herr Bakker, wie ruhig er wohnt.
    »Haben wirs nicht wunderschön?« sagte er zum Igel, der lautlos durch die Büsche streifte. Der Igel antwortete nicht. Das heißt, er antwortete schon, aber Herr Bakker hörte es nicht.
    »Bring mir ein Ei, dann hab ichs wunderschön«, sagte der Igel.
    Herr Bakker liebt seinen Garten. Er ist nicht groß, nur gerade so groß, daß eine Familie darin Platz hat zum Geburtstagfeiern. Aber so klein ein Garten auch ist, er macht Arbeit. Manche Menschen, so Herrn Bakkers Nachbar Kögel zum Beispiel, lieben zwar einen Garten, aber nicht die Arbeit, die er macht.
    Herr Kögel hat alle Pflanzen entfernt und Gras gesät. Jetzt ist sein Garten, der genauso groß ist wie der von Herrn Bakker, eine Wiese. Die einzige Arbeit, die Herr Kögel mit dem Garten hat, ist, einmal in der Woche die Wiese zu mähen. Herr Kögel nennt seine Wiese, auf der ja keine Blumen und kein Unkraut, keine Gänseblümchen und kein Löwenzahn wachsen, ›Rasen‹.
    »Ich mähe heute meinen Rasen«, sagt Herr Kögel.
    Dann setzt er sich auf einen kleinen Minitraktor und mäht mit lautem Getöse die Wiese, die er ›Rasen‹ nennt. Einige Nachbarn sagen, daß diese Höllenmaschine des Herrn Kögel unerträglich laut ist. Das findet Herr Bakker nicht. Er ist überhaupt nicht empfindlich gegen laute Geräusche.
    »Ich rase rasant über meinen Rasen«, sagt Herr Kögel, der in seiner Freizeit Gedichte, Sprüche und Reden zu Festlichkeiten wie Geburtstagen, Begräbnissen und Hochzeiten schreibt. Er liebt solche Wortspiele. Und wenn ihm ein neues Wortspiel einfällt, was meistens dann der Fall ist, wenn er Bier trinkend auf seiner Terrasse sitzt und seinen frisch gemähten Rasen anschaut, dann ruft er es Herrn Bakker hinüber.
    »Das Eichhorn sitzt hier auf dem Baume,
    Ersehnt sich dort den Kern der Pflaume!
    Es nimmt auch gern die Haselnuß,
    Weil Eichhorn ja was essen muß!«
    Herr Bakker schaut auf, legt die Hand ans Ohr.
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Schon gut, schon gut, war nicht so toll«, ruft Herr Kögel.
    Herr Bakker fragt nicht weiter nach. Er hat diesen Vers sehr wohl verstanden, denn Herr Kögel spricht sehr laut. Aber er findet den Vers nicht gut und will nicht darüber lachen. Das weiß auch Herr Kögel, und so weiß er, daß sein Scherz nicht witzig war, wenn Herr Bakker die Hand ans Ohr legt und sagt:
    »Was haben Sie gesagt?«
    Herr Kögel testet an Herrn Bakker seine Scherze, die er an Menschen verkauft, die Scherze erzählen wollen, denen aber selbst keine einfallen.
    »Ein gutes Geschäft«, sagt Herr Kögel, denn alle seine Scherze und Wortspiele der letzten Jahre haben immerhin diesen Traktor bezahlt, auf den er so stolz ist.
    »Ein Traktor aus Scherzen«, sagt er.
    Aber halten wir uns nicht länger bei Herrn Kögel auf. Vergessen wir ihn, um zu sehen, was Herr Bakker heute macht.
    Herr Bakker bearbeitet

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