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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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herausgefunden. Es gab dicke und schlanke, ältere und jüngere, und sie wechselten sich ab an der Annahmetheke, an der Kasse, am Bügelautomaten, an den Bügelbrettern für Kragen und Manschetten, aber wer auch immer ihn bediente - jeder kannte ihn sofort, wußte ganz offensichtlich: aha, unser Herr Berner! (oder: aha, unsel Hell Belnel?) und händigte ihm sein Paket ohne zu zögern aus. Das gefiel Herrn Berner am meisten, und er fühlte sich geschätzt, geehrt, gut behandelt. Er fühlte sich wichtig. Und Bodo mußte beim Betreten der chinesischen Wäscherei auch schon längst nicht mehr niesen.
    Am Tag vor Weihnachten holte Herr Berner wieder sein Wäschepaket ab, und es drängte ihn, diesen freundlichen Chinesen zu danken und ihnen zu Weihnachten eine kleine Freude zu machen, obwohl der Chinese an sich ja vermutlich das christliche Weihnachtsfest nicht begehen würde. Aber sie waren freundlich mit ihm, also wollte er freundlich mit ihnen sein und hatte an eine Tüte deutschen Mandelspekulatius mit einer grünen Schleife einen Fünf-Euro-Schein als Trinkgeld, sozusagen für die Kaffee-, nein, doch wohl eher für die Teekasse gebunden. Das reichte er dem erstaunten Chinesen, der ihm sein Wäschepaket wieder schnell und ohne eine Sekunde danach suchen zu müssen aus dem Stapel herauszog. Der gute Mann wollte das bescheidene Geschenk zunächst gar nicht annehmen, doch Herr Berner bestand darauf: »Weihnachten«, sagte er, »es ist doch Weihnachten, bitte nehmen Sie das.« Und dann fügte er noch, wie um sich zu bedanken, hinzu: »Ich bin sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit, und vor allem wundere ich mich darüber, daß Sie so rasch meinen Namen gelernt und behalten haben. Alle Achtung.« Der Chinese sah ihn fragend an. »Berner«, sagte Herr Berner leicht irritiert, »ich bin doch Herr Berner, und Sie alle kennen mich und geben mir sofort das richtige Paket und vertun sich nie. Das gefällt mir.«
    »Oh«, sagte der Chinese, aber es sah nicht so aus, als hätte er ihn wirklich verstanden. Er nahm das mit einer Stecknadel befestigte Namenszettelchen mit den feinen chinesischen Zeichen vom Paket. Herr Berner bat: »Darf ich das haben? Zur Erinnerung? Ich möchte mir zu Hause mal in Ruhe ansehen, wie mein Name auf chinesisch geschrieben wird.«
    Und er dachte an seinen alten Freund Martin, der im Altersheim lebte und in seinen jungen Jahren Sinologe gewesen war. Den wollte er zum Jahreswechsel wieder einmal besuchen und ihm stolz den Zettel mit seinem, Otto Berners Namen in chinesischen Schriftzeichen präsentieren.
    Der freundliche Chinese lachte glucksend, gab ihm das Zettelchen, nahm den Spekulatius, und alle, die im Raum beschäftigt waren, nickten und verbeugten und bedankten sich so herzlich, daß es Herrn Berner schon peinlich war und er es bereute, nicht zehn Euro an die Tüte gebunden zu haben. Aber er konnte sich das ja für das nächste Weihnachtsfest merken.
    Am Sylvestermorgen fuhren er und Bodo mit dem Bus ans Ende der Stadt, um seinen Freund Martin zu besuchen. Martin saß im Rollstuhl, geistig noch sehr rege, aber körperlich nach einem Treppensturz zu schwach, um allein zu gehen oder sich zu versorgen. Herr Berner erzählte von allem, was draußen in der Welt los war. Martin hörte zu, nickte vielleicht auch bei den langwierigen Erzählungen über die Erhöhung der Abfallgebühren und die Unpünktlichkeit der städtischen Straßenbahnen ein wenig ein. Dann spielten sie eine kleine Partie Karten zusammen, sahen aus dem Fenster, Bodo durfte auf Martins Wolldecke liegen, und schließlich zog Herr Berner triumphierend sein Namensschildchen aus der chinesischen Wäscherei aus der Tasche, reichte es seinem Freund und sagte:
    »Kannst du das noch entziffern? Du glaubst nicht, was hier steht.«
    Martin putzte seine Brille, nahm das Zettelchen und sah es so lange an, daß Herr Berner schon unruhig wurde und befürchtete, Martin hätte nun mit fast achtzig Jahren doch verlernt, kleine chinesische Schriftzeichen zu entziffern. So lange brauchte er.
    Dann sah er hoch, sah Herrn Berner kummervoll an und sagte:
    »Woher hast du das?«
    »Aus der chinesischen Wäscherei«, sagte Herr Berner. »Jetzt kann ich es dir ja verraten: es ist mein Name auf chinesisch, Otto Berner, und sie finden ihn unter allen Paketen immer sofort heraus.«
    Er tippte mit Besitzerstolz auf den Zettel. »Herr Berner«, sagte er, »das steht da.«
    »Nein«, sagte Martin und reichte ihm den Zettel zurück, »das steht da nicht. Da steht:

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