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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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Sprachen, war in Indien, und er konnte auch so sprechen wie die Menschen in Indien. Aber wenn er eine Geschichte über Indien erzählt hätte, dann hätte er alles, was die Inder in seiner Geschichte gesagt hätten, in der Sprache der Inder erzählt, und wir hätten nichts verstanden. Er vergaß nämlich immer wieder, daß wir alle nicht diese Sprachen sprechen und verstehen konnten. Darum hörte dem Großvater mütterlicherseits, als er nicht mehr reiste, aber von den Reisen erzählte, niemand zu, und er war sehr einsam und starb.
    Mein Großvater väterlicherseits dagegen, der konnte wunderbar über Indien erzählen. Er, der wie alle anderen in unserer Familie, außer dem Großvater mütterlicherseits, niemals in Indien war, konnte stundenlang über Indien erzählen.
    »Als ich in Indien war«, erzählte er einmal, »ich glaube, es war um den 17. September 1913 herum, da lernte ich eines Tages inmitten der Wüste, wir waren von Tigern und heiligen Kühen umzingelt und ein mächtiger Sandsturm fegte über das Land - es war der schlimmste Sandsturm in Indien seit Menschengedenken, und man sah seine Hand nicht mehr vor dem Gesicht, und wir - das waren dieser Eskimo, von dem ich schon erzählt habe, und mein alter Freund Albert Schwarzeneder, wißt ihr, der, der später mit dem Motorrad verunglückte - oder, Moment, nein, das war ja Fritz Seidler, der mit dem Motorrad bei Kapstadt verunglückte, egal, jedenfalls bestätigten uns die Inder, daß es einen derartigen Sandsturm noch nie gegeben hatte, und die Tiger gruben sich in Löcher ein, nur die heiligen Kühe, denen der Sandsturm wegen ihrer Heiligkeit nichts anhaben konnte, grasten friedlich vor sich hin, wir aber flüchteten in ein Zelt, wo wir einen fast glatzköpfigen dünnen Mann mit einer Nickelbrille vorfanden, der uns gastfreund-lich aufnahm. Man trank und aß zusammen, redete über dieses und jenes, über den Krieg und die Raumfahrt, über Bismarck, Karl den Großen und Ludwig Erhard, über die alten Römer und Vogelkunde, über Alaska und Niederbayern, über das Essen hier und dort, über die verschiedenen, in allen Ländern anderen Arten der Hinrichtungen, die wir alle mitsamt verurteilten, und so legte sich der Sandsturm, es ging ein milder Frühlingsregen herunter, die Krokusse blühten auf, Schafe ästen, die ersten Zugvögel kamen aus dem Süden zurück, der Schnee war fast weggeschmolzen, und wir sagten zu unserem Gastgeber, zeig uns dein Land! Während unserer langen Unterhaltung hatte sich eine Katze neben ihn auf einen Zipfel seines weiten togaartigen Kleides gelegt und schlief friedlich. Gebt mir ein Messer, sagte der Mann.
    Man reichte es ihm und er zerschnitt sein Kleid so, daß er aufstehen und mit uns gehen konnte, ohne die Katze in ihrem Schlaf zu stören. Man hat ihn dafür später heiliggesprochen, und ein paarmal hat er mir noch geschrieben, dann traf ich ihn noch einmal, als ich wieder mal bei seinem Zelt vorbeikam, ein andermal war er gerade nicht zu Hause, und so verloren wir uns aus den Augen. Er wird wohl nicht mehr leben, denke ich, obwohl, was weiß man, die Leute werden dort sehr alt.«
    Ja, der Großvater kannte die Welt. Und als ich diese Geschichte mit dem Inder und der Katze später in der Schule in einem Lesebuch las, da war ich sehr stolz auf den Großvater, denn ich dachte mir, was ist mein Großvater doch für ein berühmter Mann, daß die Geschichten, die er erlebt hat, in den Lesebüchern stehen.
    Aber ich wollte dir ja die Geschichte von Wanda und Wladimir erzählen. Sie wohnten im Sommer in Sibirien und im Winter hier in der Nähe an einem See. Sie waren, bis Wanda starb, ein Paar. Ein Schwanenpaar. Und wenn Schwäne lieben können, dann liebten sie sich. So wie Deine Mutter und ich uns einmal liebten. Und wie alle Liebenden eine Geschichte haben, so haben auch Wanda und Wladimir eine Geschichte. Die haben sie mir erzählt. Und ich werde sie Dir erzählen. Aber nicht mehr heute. Es ist spät geworden. Du mußt nach Hause. Grüß Deine Mutter und sag ihr, ich bin in Gedanken oft bei euch.

Liebesgeschichte
    MEIN ERSTER WAR EIN RICHTIGER HERR. Er war schon etwas älter und hatte einiges hinter sich, auch eine andere lange Beziehung.
    Er wußte immer, was sich gehört. Gut - er war schon etwas fülliger, als er in mein Leben trat, seine vorige muß sehr gut gekocht haben. Ich war ihm sofort verfallen, denn er strahlte so eine gewisse gelassene Würde aus, er beruhigte mich, machte mich sicher. Er ging morgens aus dem

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