Rudernde Hunde
seinen Garten mit Spaten, Rechen und Gartenschere. Jeden Morgen ist Herr Bakker im Garten. Er schneidet die Rosen, lockert die Erde zwischen den Blumenstauden, sammelt Läuse ab, schneidet Blumen und gießt, wenn es nötig ist. So auch heute.
Der Zaunkönig schaut ihm zu.
»Guten Morgen, Herr Bakker!« sagt er.
Aber Herr Bakker hört ihn nicht. Und auch die beiden Amseln, die sich gerade um einen Regenwurm streiten, hört er nicht. Er sieht die Vögel, die Eichhörnchen, den Igel, die Katze einer Nachbarin, aber er hört sie nicht. Nur das laute Gekreische der Elstern hört er und natürlich Herrn Kögel.
Herr Bakker ist schwerhörig. Menschen, die mit ihm sprechen wollen, müssen lauter sprechen als sonst. Und auch den Ton seines Fernsehapparats stellt er so laut, daß seine Tochter einmal sagte: »Was für ein Segen, daß du alleine in deinem Häuschen wohnst. In einer Mietwohnung würdest du Schwierigkeiten mit den Nachbarn bekommen. «
Herr Bakker gibt gerne Widerworte, vor allem, wenn es um diese Schwerhörigkeit geht, die er einfach nicht zugeben, von der er nichts wissen will. Also sagte er schnippisch:
»Da würde ich dann eben nicht fernsehen.«
»Aber wir wollen mit dir sprechen, nicht so schreien, daß selbst Herr Kögel drüben mithört, was wir sagen. Laß dir endlich ein Hörgerät verschreiben.«
»Was sagst du?«
Die Tochter schrie: »Papa, du brauchst ein Hörgerät!«
»Nein, nein, ich kann dich gut verstehen.«
»Aber nur, wenn ich schreie. Und dazu habe ich keine Lust.«
»Dann schrei eben nicht.«
»Dann verstehst du mich nicht.«
»Was hast du gesagt?«
»Nichts!«
So endeten die Gespräche meistens. Die Tochter war entnervt, suchte eine Entschuldigung und ging. Das letzte Mal, es wird zwei Wochen her sein, legte sie einen großen Zettel auf den Boden des Wohnzimmers, auf dem stand:
HÖRGERÄT!
Obwohl das Wort in ziemlich großer Schrift geschrieben war, mußte Herr Bakker erst seine Brille aufsetzen, um es zu lesen.
Schon wollte er den Zettel verärgert zerknüllen und wegwerfen, da kam ihm ein Gedanke. Er ging auf die Terrasse, sah den im Beet pickenden Amseln zu und dachte nach.
Ich habe eine Brille, dachte er.
Die habe ich schon seit dreißig Jahren. Und hätte ich sie nicht, könnte ich die Zeitung nicht lesen, nicht fernsehen, nicht die Läuse von den Rosen absammeln, nicht die Sträucher schneiden, nicht entziffern, wie lange man die Tütensuppe kochen muß, nicht die Briefe meines Sohnes Paul aus Australien lesen. Und ich habe noch eine zweite Brille. Ohne die könnte ich nicht erkennen, wer auf der Straße vorbeigeht, welcher Bus an die Haltestelle kommt und ob Marianne, die auf der anderen Straßenseite ein Stück weiter oben wohnt, im Garten arbeitet oder auf ihrer kleinen Terrasse sitzt. Und es ist völlig normal, daß man zum Sehen eine Brille hat. Die meisten alten Menschen haben eine Brille, aber auch viele junge. Herrn Backers Urenkel Sebastian, der gerade in die Schule gekommen ist, braucht für die ersten Buchstaben, die er schreibt, schon eine Brille.
»Menschen, die schlecht sehen, brauchen eine Brille«, sagte Herr Bakker laut.
Erschrocken schauten ihn die Amseln an.
»Und Menschen, die schlecht hören, brauchen ein Hörgerät«, sagte er, und das Eichhörnchen faßte sich an den Kopf und sagte:
»Menschen ja, Hörnchen nicht.«
Und warum, dachte Herr Bakker, sollte ein Hörgerät, gegen das er sich so sehr wehrt, nicht genauso etwas Normales sein wie eine Brille? Haben die Amseln nicht gerade zu ihm hochgeguckt und die Schnäbel bewegt? Sie haben etwas gesagt, und er hat es nicht gehört.
Das mußte sich ändern.
Am nächsten Tag ging Herr Bakker zu einem Ohrenarzt. Der schaute in seine Ohren, spielte Herrn Bakker Töne vor und ließ ihn auf eine Taste drücken, wenn er die Töne hörte. Da waren tiefe Töne, wie das Brummen von Bären, die hörte Herr Bakker ganz gut. Aber die hohen Töne, die wie das Zwitschern der Vögel waren, hörte er nicht.
»Sie brauchen ein Hörgerät«, sagte der Ohrenarzt.
»Wenn es denn sein muß«, sagte Herr Bakker.
Ein sogenannter Hörakustiker nahm einen Abdruck vom Inneren der Ohren des Herrn Bakker. Er erklärte und zeigte, daß man dieses Innenohrgerät gar nicht sehen würde und daß es ein Wunder der modernen Gehörtechnik sei, ein Computer, der alle Geräusche, alle Töne, Musik, Autolärm, Stimmen, für Herrn Bakker so aufbereite, daß es für ihn angenehm sei, nicht zu laut und nicht zu leise.
»Jaja,
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