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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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wir fahren nicht nur auf den Mond, wir erfinden auch Brauchbares zum Segen der Menschheit«, sagte der Hörakustiker, und er zeigte Herrn Bakker eine kleine Sammlung von Hörgeräten der letzten hundert Jahre. Da gab es riesige Hörrohre, seltsame, an den Kopf geschnallte Muscheln, Brillen mit eingebauten Geräuschverstärkern, Geräte, die hinter das Ohr geklemmt wurden, und schließlich den allerletzten Schrei, das, was Herr Bakker bekommen würde, kaum größer als eine Bohne, unsichtbar für andere, ins Ohr zu stecken.
    In zwei Wochen sollte Herr Bakker sein Gerät abholen, Zahlungen der Krankenkasse waren zu regeln, und einen gewissen Anteil würde Herr Bakker selbst bezahlen müssen.
    Erwartungsvoll ging Herr Bakker nach Hause und bemühte sich darum, bewußt zu hören, um später den Unterschied feststellen zu können. Da hörte er, wieviel er nicht hörte und freute sich auf sein Hörgerät, obwohl er auch etwas Angst davor hatte. Denn würde die Welt nicht plötzlich viel zu laut für ihn werden? Wollte er wirklich alles hören, was man hören konnte?
    Was solls, sagte er sich dann, man kann das Gerät ja aus den Ohren herausnehmen - und schon ist alles wie vorher.
    Heute kann Herr Bakker sein Hörgerät abholen. Am Morgen arbeitet er noch etwas im Garten. Herr Kögel sitzt nebenan auf der Terrasse und frühstückt. Als er Herrn Bakker sieht, deklamiert er laut:
    «Ißt der Mensch sein Frühstücksei,
    Kommt auch schon der Spatz herbei,
    Will mir doch mein Ei wegnehmen,
    Also, Spatz, du sollst dich schämen!«
    Herr Bakker schaut kurz hoch.
    »Haben Sie was gesagt, Herr Kögel?«
    »Nein, nein, ist schon gut!« schreit Herr Kögel. Ist nicht so toll, das Gedicht, denkt er. Aber vielleicht nimmts die Bäckerzeitung.
    Nach zwei Stunden Gartenarbeit geht Herr Bakker ins Haus. Er wäscht sich, zieht seinen guten Anzug an, poliert seine Schuhe, kämmt sich die Haare, betrachtet sich im Spiegel, setzt einen Hut auf und macht sich auf den Weg.
    »Na, so fein heute?« sagt der Zaunkönig, der im Baum am Gartentor sitzt. Aber Herr Bakker hört ihn nicht.
    Herr Bakker geht seinen gewohnten Weg zum Ortszentrum.
    Marianne arbeitet im Garten, rupft tief gebückt Unkraut aus den Beeten.
    »Guten Morgen, Marianne!«
    Sie antwortet nicht.
    Die Bank ist ganz modern, aus viel Glas und Beton. Wenn man sie betritt, öffnet sich automatisch eine Tür, als würde sie einen kommen hören. Man betritt eine kleine Halle. Hinter Glasscheiben sieht man verschwommen die Schalter mit den Angestellten der Bank. Hier draußen in der Halle aber ist der Geldautomat. Man muß nicht mehr wie früher an den Schalter gehen, man kann hier draußen Geld aus dem Automaten holen und auch die Kontoauszüge. Herr Bakker war schon lange nicht mehr im Inneren der Bank. Er weiß gar nicht, ob die Menschen, bei denen er früher Geld abhob, überhaupt noch hier arbeiten. Trotzdem nickt er zu ihnen hinein und sagt, was sie natürlich nicht hören können:
    »Guten Morgen die Damen und Herren!«
    Dann geht Herr Bakker zum Automaten, holt sein Kärtchen aus der kleinen Tasche seines Anzugjacketts, steckt es in den Schlitz, gibt seine Geheimnummer ein. Der Automat, der rattert und murmelt, was Herr Bakker nicht hört, hat das Kärtchen verschluckt.
    Herr Bakker gibt den Betrag ein, den er abheben will. Wieder murmelt, gluckert und würgt der Apparat. Dann spuckt er das Kärtchen wieder aus. Herr Bakker steckt es wieder ein. Noch einmal rattert der Automat, dann kommt durch einen Schlitz das Geld heraus, Herr Bakker steckt es ein, verbeugt sich vor dem Automaten und sagt:
    »Besten Dank auch. Danke, vielen Dank.« i Der Automat antwortet nicht.
    Das ist schade, denkt Herr Bakker. Da bauen sie modernste Computer in eine Bohne, die man ins Ohr stecken kann, aber sie bauen keinen Geldautomaten, der spricht. Man könnte doch sicher, wenn man wollte, einen Automaten bauen, der an der Nummer des Kärtchens sieht, daß es sich zum Beispiel um Herrn Bakker handelt, der vor ihm steht. Wenn sich dann Herr Bakker verbeugt und bedankt, könnte der Automat sagen: »Bitte schön, Herr Bakker, keine Ursache, beehren Sie mich wieder!«
    Wenn ich jung wäre, würde ich das erfinden, denkt Herr Bakker.
    Er geht zum Hörakustiker, legt das Geld auf den Tisch, wartet, bis der Mann das Gerät geholt hat. Er ist aufgeregt. Wie wird es sein?
    »Es ist am Anfang ungewohnt. Es ist gewöhnungsbedürftig. Sie dürfen nicht erschrecken, Herr Bakker. Sie hören ab sofort anders«, sagt

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