Rudernde Hunde
nach Minuten, daß es sich um Fehlzündungen handle, die nicht in Ordnung seien, denn normalerweise, so versicherte er, dürfe das nicht sein, ja es sei sogar so, daß er sich und uns gar nicht erklären könne, warum es überhaupt blaff-blaff mache, da doch, soviel er übersehen könne, alles in Ordnung sei. Nein, also, da wolle er mal ganz ehrlich sein, eigentlich dürfe die Heizung gar keine Fehlzündungen haben, unter uns gesagt.
»Aber sie macht sie doch, mein Gott!«
Das sei eben das Problem. Erst telefonierte er mit Breuer, dann mit Siggi. Der kam, und sie diskutierten fachmännisch das Phänomen, was damit endete, daß Siggi wieder ging und Willi begann, die Heizung in ihre Einzelteile zu zerlegen. Dreimal telefonierte er noch, einmal ging er nach Hause zum Essen, sechs Flaschen Bier trank er, zweimal ging er Ersatzteile holen, mehrfach fluchte er ausgiebig, und um fünf Uhr machte er Feierabend. Mühsam erklärte er uns, daß er morgen noch mal die ganze Elektrik durchchecken müsse, die Elektrik, wohlgemerkt, nicht die Elektronik, denn die, wenn es an der läge, die sei nicht sein Gebiet, dann müßten ganz andere her. Was das bedeutete und wer »ganz andere« sein würden, sagte er nicht, aber er versicherte uns, daß wir es heute abend mit der Kaminkehrerschaltung warm hätten. Als er weg war, starrten Klara und ich auf die Dauerflamme des Brenners, gaben uns etwa fünf Minuten der Illusion hin, jetzt sei alles überstanden, da machte es einmal, dann noch einmal, dann wie gewohnt in Serie blaff-blaff.
Ich ging um 17 Uhr 30 in die Wirtschaft und betrank mich. Zu späterer Stunde tauchte Hans Breuer mit ein paar Großbauern auf, mit denen er tagsüber Golf spielte. Ob denn jetzt alles in Ordnung sei?
»Nichts ist in Ordnung«, sagte ich.
Jaja, meinte er nachdenklich und schob mir ein Glas Prosecco rüber, in den Heizungen stecke der Teufel. Immer wieder neue Technik, alles elektronisch, wer solle sich da noch zurechtfinden.
Aber er habe glücklicherweise Siggi, um den ihn die Branche beneide, der kriege das schon in den Griff, denn der sei eine Konifere im Heizungsbereich.
»Prost auf Siggi!«
»Prost!«
Täglich stand uns nun die Konifere ins Haus. Die Intervalle des Blaff-blaff wurden länger, der Rekord waren zwei Tage. Sie tauschten alles aus, was man austauschen konnte, sie hatten schon ein festes Kontingent an Werkzeug bei uns deponiert, denn auch Siggi mißtraute inzwischen dem immer nur zeitweilig herbeigeführten Frieden. Klara nahm alles gelassen hin, ich führte inzwischen über die Hausbesuche der Firma »Breuer - Heizung -
Klima - Sanitär« Buch. Darüber zerstritten wir uns, nahmen die alten Kämpfe wieder auf, kamen an den Punkt, an dem wir uns einig waren, daß unser Versuch, ein neues Leben miteinander zu beginnen, gescheitert war. Die Heizung wurde das Symbol für unsere erneute Zerrüttung. Inzwischen war es Dezember, Klara zündete die Kerzen eines überdimensionalen Adventskranzes an, und die Heizung sang ihr Blaff-blaff dazu. Ich packte zwei Koffer, legte Klara noch einmal dringend eine unnachgiebige Haltung gegenüber den Breuer-Leuten nahe, redete von einem harten Winter, von allzu hohen Gasrechnungen, vom Recht auf eine funktionierende Heizung, flocht kritische Warnungen Siggi betreffend ein, fand kein Gehör, legte die Bemerkung nach, daß der wohl doch keine Ahnung von den Neuerungen im Heizungswesen habe. Klara widersprach auf ihre Art.
»Der Junge ist sehr nett.«
»Nett sein kann ich selbst.«
»Kannst du nicht. Und er hatte eine schwere Kindheit. Seine Eltern sind beide Trinker.«
»Das interessiert mich überhaupt nicht«, erwiderte ich, »wenn er es über Wochen nicht hinkriegt, die Heizung funktionsfähig zu machen.«
»Sie ist ja warm.«
»Aber sie macht blaff-blaff.«
»Ja und?«
»Und das muß ich nicht ertragen, nur weil dieser Junge eine schwere Kindheit hatte.« Dieser Streit erleichterte uns beiden die Trennung, und ich zog in die Stadt, zunächst in die Wohnung eines in Amerika weilenden Freundes, um, von einer unaufdringlich funktionierenden Heizung gewärmt, mich selbst und die Vorstellung des Alleinlebens wiederzufinden.
Wir gefielen uns darin zu schweigen, nicht anzurufen, keine Zeichen zu geben. Ich wollte, daß Klara leiden sollte wie ich. Ich hoffte, daß es ihr auch schwerfiele, von mir nichts zu hören. Und ich redete mir Sorge um sie ein. Ich käme doch alleine klar, umgeben von der Unruhe der Stadt, den Freunden, den Gleichgesinnten.
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