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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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angeflogen, setzte sich zutraulich auf Brunis rechte Hand und ließ sich von der linken sanft kraulen, zart umfassen und ohne jeden Widerstand in den Käfig setzen, der immer noch offen auf dem Boden des Balkons stand. Bruni atmete tief durch und schloß rasch die kleine Gittertür.
    »Geschafft!« flüsterte sie, kraulte durch die Stäbe mit einem Finger Leos Hals und richtete sich dann auf, um Hilde zu umarmen.
    »Großartig«, sagte sie, »ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Ich habe ihn wieder.«
    »Darauf trinken wir einen«, sagte Hilde, und Bruni fragte: »Aber Sie müssen doch weg?«
    Hilde winkte ab und schenkte zwei Gläser Weißwein ein. »Ist jetzt sowieso schon egal«, sagte sie, und die Platte im Schlafzimmer lief weiter und die Beatles sangen:
    »Do w hat you want to do, and go where you're going to, think for yourself.«
    Hilde und Bruni prosteten sich zu, und Hilde fragte: »Wer ist Harald?«
    »Mein Verflossener«, sagte Bruni. »Hat er das erzählt?« Und sie zeigte auf Leo, der in seinem Käfig auf der Stange saß und ihnen aufmerksam zusah. »Ja«, sagte Hilde, »Harald, wo der Pfeffer wächst.«
    Bruni nickte. »So ist es«, sagte sie. »Ich hab ihn rausgeworfen, ich habe gesagt, Harald, geh doch dahin, wo der Pfeffer wächst.«
    Bruni trank das Glas in einem Zug leer, wischte sich zufrieden den Mund ab und sagte: »Ich hoffe, da ist er jetzt. Ich hoffe, Harald ist da, wo der Pfeffer wächst, und jetzt bin ich mit Leo allein. Er ist mein ein und alles, wissen Sie.«
    »Ja«, nickte Hilde, »ich weiß«, und sie sehnte sich nach einem Beo namens Leo, gracula religiosa, nach jemandem, für den sie Rosinen kaufen müßte, oder wenigstens nach jemandem, der zu ihr sagen würde: »Baby, you can drive my car.«
    Als die beiden Frauen die Flasche Wein geleert hatten, zog Hilde sich Jeans und ein T-Shirt an und begleitete Bruni und Leo drei Straßen weiter in ihre Wohnung. Das Weiße Album von den Beatles nahmen sie mit, und dann lagen sie auf dem Teppich, hörten While my guitar gently weeps und weinten über den Tod von John und George. Leo flog bei fest geschlossenen Fenstern durch die Wohnung, rief: »Leo! Komm zu Mutti!« und versicherte ein übers andere Mal: »Harald! Wo der Pfeffer wächst.«

Blaff-blaff
    A ls ich mich von meinem in trunkenem Zustand selbstverschuldeten Autounfall und den darauf folgenden Operationen leidlich erholt hatte, beschlossen wir, das Haus zu renovieren. Ich hatte mein Appartement in der Stadt aufgegeben und war wieder hinausgezogen aufs Land. Der Psychologe lachte höhnisch, die Freunde tuschelten, die Söhne blieben mißtrauisch fern, und wir selbst erstickten alle Bedenken, ob unseres Hauses neue Kleider das entstandene Eis zwischen uns schmelzen könnten, in bedingungslosem Aktivismus.
    Die alten Kommoden, Tische, Sofas, Stühle, Sessel und Schränke und die einst selbstgebastelten Bücherregale wichen neuen, schlichten und darum sehr teuren Möbeln. Buche war das bevorzugte Holz. Klarheit sollte in das, was wir der Einfachheit halber »unser neues Leben« nannten. Bilder, Bildchen, der liebgewonnene Nippes, der Stationen unseres gemeinsamen Lebens markierte, alles wanderte auf den Speicher. Aus Sentimentalität herübergerettete Sperrigkeiten und schon immer als geschmacklos von uns denunzierte Gegenstände fanden ihren Weg auf den Müll, da die Schenker zumeist schon tot oder auf irgendeine andere Weise aus unserem Leben verschwunden oder verbannt worden waren. Schallplatten (außer Willy de Ville, Bob Dylan, Eagles, Beatles, Randy Newman und Neue Deutsche Welle) wanderten in Jugend- und Altersheime. Erst später entdeckte ich, daß Klara heimlich Hannes-Wader und Reinhard-Mey-LPs aufgehoben hatte. Bücher gaben wir auf den dörflichen Weihnachtsmarkt, den die Rotary-Club-Lehrersgattin organisierte.
    »Ich brauche mehr Licht und Luft!« pflegte Klara zu sagen, und wir machten Luft und schafften Licht. Letzteres sollte die progressivste Phase unserer Runderneuerung werden, denn wir trennten uns von der Moderne: die mittels staubigen Drahtseilen verspannten Halogenleuchter wichen »normalen« Beleuchtungs-körpern.
    »Ich will endlich warmes Licht!« hatte Klara gefordert. Und es ward warmes Licht.
    Mein argloser Wunsch, »ich will gekalkte Wände, das Haus soll endlich atmen«, erbrachte uns eine Renovierung des Hauses, deren Ausmaß unsere schlimmsten Befürchtungen übertraf.
    Die Tapeten, so schien es, hatten unser Haus von innen wie der wilde

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