Rudernde Hunde
anderen Baustelle, danach aber, wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischen-komme, man wisse ja nie, reiße man das hier runter.
»Ein netter, aufgeweckter Junge«, sagte Klara. Ich sagte, was ich sagen wollte, nicht, denn unsere Nerven lagen blank, und es kostete uns Anstrengungen, neue Scharmützel zwischen uns zu vermeiden.
Es kam Unvorhergesehenes dazwischen, es ging nicht seinen Gang, und es wurde nicht warm in der Bude, obwohl es draußen langsam kalt wurde. Als wir, wenn die Sonne schien, heißes Wasser für täglich zwei Duschbäder hatten, war Jungsiegfried darauf stolz wie die Amerikaner auf die Mondlandung. Klara machte eine Flasche Sekt auf, wir feierten die Tatsache, daß die Sonne unser Wasser erhitzte. Warme Heizkörper stellte Siggi uns bereits für denselben Abend in Aussicht, Breuer kam auf einen Schluck vorbei, und wir träumten wieder einmal davon, daß sich alles, was unser neues Leben betraf, fügen würde.
Zum Beischlaf auf der nepalesischen, nicht von Kindern geknüpften Wohnzimmerwiese, den ich Klara an diesem Abend abtrotzen wollte, kam es nicht, da unsere Heizung im denkbar ungünstigsten Moment ein Verhalten an den Tag zu legen begann, mit dem sie uns über Wochen hinweg terrorisieren sollte. Blaff-blaff machte sie. Blaff-blaff, alle paar Minuten, blaff-blaff, stundenlang.
Fehlzündungen! Blaff-blaff machte sie die ganze Nacht. Ich drehte alle Heizkörper ab, sie machte blaff-blaff, ich drehte alle voll auf, sie machte blaff-blaff. Sie machte blaff-blaff, weil sie mich verachtete. Ich fuhr im Schlaf auf, ich rannte durchs Haus, gejagt vom Blaff-blaff. Und Klara schlief. Dafür haßte ich sie.
Gerädert rief ich schon im Morgengrauen bei Breuer an. Er schickte Siggi vorbei. Der kam frisch gefönt vorbei, gut gelaunt, nicht gerade arbeitsmäßig gekleidet, denn eigentlich habe er heute frei, schaute sich die Heiztherme an, lachte über das Blaff-blaff, das ja wirklich zu komisch sei und als Fehlzündung einen Haufen Gas rauspuste, müsse ich wissen, schimpfte auf die Idioten von Mitarbeitern, die natürlich den Elektroanschluß falsch installiert hätten, soweit er das jetzt überblicke, und versprach Willi, den dafür Zuständigen, vorbeizuschicken. Allerdings habe der heute und morgen wegen eines Todesfalls in seiner Familie frei, übermorgen aber sei er wieder da. Bis dahin stelle er die Heizung auf Kaminkehrerschaltung, da brauche sie zwar geil viel Gas, sei aber volle Pulle am Warmmachen, garantiert.
»Na siehst du«, sagte Klara, »Siggi ist okay.« Ich schwieg, wir frühstückten, lasen die beiden Zeitungen, die lokale und die überregionale, stellten fest, daß es in den nächsten Tagen kälter werden sollte, rissen die Fenster auf, weil es zu warm wurde, drehten ein paar Heizkörper ab, und um 11 Uhr 17, ich schaute sofort auf die Uhr, gewillt, jetzt über alle Ansprüche an Breuer Buch zu führen, machte es blaff-blaff. Klara lachte. Ich floh nach draußen, wo es zu kalt war, ging wieder ins Haus, riß Fenster auf und schloß sie, wurde vom erbarmungslosen Blaff-blaff durchs Haus getrieben und an der Arbeit gehindert.
Ich verfluchte Breuer und alle sonstigen Feuerwehrhauptleute und Kleinunternehmer, Handwerker und Gewerbetreibende. Ich pries die Schwarzarbeiter, beneidete die Eskimos, wollte diese ganze verdammte Zivilisation vergessen, keine Frau, keine Söhne, kein Haus, keine Heizung haben, niemand, auch nicht ich sein, verschwinden, rückstandslos. Doch das Blaff-blaff hämmerte mir die Zeit ein und ließ mich leiden. Ich begann, mich am Telefon mit blaff-blaff zu melden, und es kam Kurzweil auf, denn jeder wollte wissen, was das zu bedeuten hätte. Ich erzählte, schmückte aus und ließ Fachausdrücke in Gespräche einfließen. Ich rief blaff-blaff zum Fenster hinaus, so daß mich die an den letzten Äpfeln pickenden Amseln erstaunt anstarrten, ich sagte blaff-blaff statt guten Appetit, ich begrüßte Ulrich Wickert nach seinem »Guten Abend, meine Damen und Herren« mit blaff-blaff. Ich prostete Klara mit blaff-blaff zu, und sie hielt mich für verrückt. In dieser Nacht sperrte sie sich zum ersten Mal ein, was jetzt dank der neuen Türen möglich war. Fehlzündungen, Gasexplosionen, Verschuldung, Armut begleiteten meine Träume, und ich begrüßte den nächsten Morgen mit blaff-blaff.
Er brachte uns Willi ins Haus. Er war das Gegenteil von Siggi, klein, dicklich, unendlich bedächtig. Lange schaute er dem Blaff-blaff der Heizung zu, legte den Kopf schief und befand
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