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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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mich viel gekostet.
    Ungefähr ein Jahr ist das jetzt her. Ich mußte damals mehrmals in der Woche zu einem Heilpraktiker in unserer Nachbarstadt fahren, weil ich eine bestimmte Therapie brauchte, die es nur dort gab. Nach der Behandlung taumelte ich jedesmal vor Erschöpfung und Verzweiflung und blieb noch ein wenig in der Stadt, trank einen Kaffee, fand mich und mein Los und mein Leben überflüssig, sinnlos, hatte keine Idee, wie es weitergehen sollte. Ich war schwer zu ertragen in dieser Zeit, gereizt, mürrisch, anklagend, nur Opfer, dabei war ich auch Täter - das weiß ich heute. Ich machte meinem Mann das Leben ordentlich schwer, diesem Mann, der seit Jahren still und freundlich meine Launen ertrug, der mich gut behandelte, aber wohl schon nicht mehr liebte. So etwas merkt man immer erst zu spät, dann, wenn man zu hoch gepokert hat und verliert. Manchmal begleitete er mich zum Heilpraktiker und bummelte, um mich aufzubauen, hinterher mit mir ein bißchen durch die Altstadtgassen. Er ermunterte mich, mir in den Geschäften etwas Schönes zu kaufen. Ich war unzufrieden, nichts gefiel mir, weil ich mir nicht gefiel.
    An einem verregneten, besonders tristen Tag sahen wir in einer kleinen Boutique auf einem Bügel hinter der Kasse den Trenchcoat hängen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sein Pelzfutter lugte an Kragen und Ärmeln schmeichelnd hervor, das Ganze war eine atemberaubende Mischung aus sportlich und elegant, so einen Mantel wollte ich unverzüglich haben, wollte eine Frau sein, die so einen Mantel trägt, mit lässiger Eleganz, die teure Seite nach innen. Mir schien, als könne in mein verkorkstes Leben wieder Schwung, Licht und Schönheit kommen mit diesem Mantel. Der Neuanfang - da hing er auf dem Bügel, und ich zeigte darauf und sagte: »Den da.«
    In der Boutique gab es keine Mäntel außer diesem einen. Es gab Pullover, in Regalen geschichtet und auf Tischen ausgebreitet, es gab Twinsets, Seidentücher. »Den da«, wiederholte ich, und mein Mann fragte die blonde junge Frau, die an der Kasse saß und las:
    »Was kostet der?«
    Sie sah hoch, ein schmales, kluges Gesicht, sah ihn an, drehte sich um, schaute auf den Mantel, lachte und sagte: »Der ist nicht zu verkaufen. Das ist meiner.« Und mein Mann fragte: »Was lesen Sie da?« Sie hielt ihr Buch hoch. Es war Geh wohin dein Herz dich trägt von Susanna Tamaro. »Und«, fragte er, »worum geht's?«
    »Worum es immer geht«, lachte sie, »um die Liebe.« In diesem Augenblick hatte ich schon verloren, aber das wußte ich damals natürlich noch nicht. Er hockte sich vor sie auf die Theke, nahm das Buch und blätterte. Ich zeigte auf den Mantel.
    »Können Sie mir den nicht verkaufen? Genau so einen will ich haben«, sagte ich, und sie schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie,
    »den habe ich erst zwei Monate, lange dafür gespart, den gebe ich nicht her.« Ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen, aber ich beherrschte mich. Ich weiß noch, daß ich hinter die Kasse ging und einmal das Futter streichelte. Der Mantel strömte einen zarten Parfümduft aus. »Komm«, sagte ich zu meinem Mann, »dann laß uns gehen, ich kann diesen Mantel keinen Augenblick länger ansehen, ohne zu verzweifeln.«
    Er gab ihr das Buch zurück, rutschte vom Tisch und fragte: »Und, folgt sie ihrem Herzen?« »Das weiß ich noch nicht«, sagte die junge Frau, »aber ich nehme es doch an.« Sie sahen sich an, ich ging schon zur Tür, und er kam nach und sagte: »Auf Wiedersehen.«
    In den nächsten Tagen redete ich nur noch von diesem Trenchcoat mit Pelzfutter. Wie sollte ich ohne ihn weiterleben können? »Da, siehst du«, sagte ich vorwurfsvoll, wenn mir mein alter Trenchcoat bei Regen durchnäßt um die Schultern hing und ich fror. Ich fand, daß es in meinem ganzen Kleiderschrank nichts Schönes gäbe, weil dieses eine Glanzlicht fehlte. Ich ging durch die Läden in unserer Stadt, fand reichlich Trenchcoats, fand Webpelzfutter, einmal auch einen damenhaft geschnittenen Mantel, mit Nerz gefüttert. Es war nicht dasselbe. Ich wurde immer unzufriedener, ich dachte nur noch an den Mantel, wollte bei meinem nächsten Besuch in der Stadt bei der »Ziege«, wie ich die Verkäuferin schon nannte, noch mal auftauchen und es mit ein paar Scheinen versuchen, Geld würde sie doch locken - aber immer kam etwas dazwischen, die Behandlung beim Heilpraktiker war erst in den Abendstunden oder ich fand keinen Parkplatz oder Mutter fuhr mich und wir mußten sofort zurück.
    Mein Mann

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