Rückgrad
Außerdem waren wir nicht die einzigen, die tanzten, so langsam kam Stimmung auf, und ich hatte den Eindruck, alle Welt lachte sich kaputt. Wow, Jeanne Flitchets Körper war echter lebendiger Nougat!
Als ich sie losließ, waren wir beide schweißgebadet, aber ich hatte es geschafft, die überschüssige Energie zu verbrennen, die mich plötzlich mitgerissen hatte. Völlig außer Atem, dankte ich ihr von ganzem Herzen und ließ sie wissen, wir könnten noch einmal loslegen, wenn sie wolle. Sie konnte es nicht fassen, und auch Elsie nicht, die mich beobachtete, als ich von der Bahn ging-- Ah, hör auf …! bat ich sie innerlich, fast zitternd vor Wonne. Oder meine Freude wird so, daß ich nicht mehr weiß, was ich mit mir tun soll. Ah, hör auf, das ist wirklich zu schön …! Und ich sagte mir, Alter, ist dir klar, daß das schönste Mädchen der Stadt zu deinen Füßen liegt, begreifst du, was das heißt …?! Ich küßte die Füße des Herrn, wieder und wieder, ich benetzte sie mit meinen Tränen, ich wollte, daß er mir meine Undankbarkeit an diesem heiligen Abend verzieh, ob, ich wälze mich im Staub, schütte Asche auf mein Haupt.
Ich rieb mir die Hände, als ich mir die ganze Wonne ausmalte, die mich nach diesem Abend erwartete. Würde sie vielleicht damit drohen, sich die Kehle durchzuschneiden, oder würde sie versuchen, mir sämtliche Kleider vom Leib zu reißen, würde man größte Mühe haben, mich aus ihrer Umklammerung zu befreien, wenn sie sich in ihrer Ohnmacht mit einem herzzerreißenden Schrei an meinen Hals warf? Vor Freude schnürte sich mir die Kehle zusammen, ich betrachtete die runden beschlagenen Stellen auf den Fenstern, als wären es große weiße Vögel, die Rücken an Rücken saßen.
Ich winkte Herbert Astringart zu, ich sei unterwegs. Wie zur Zeit meiner Jugend stimmte Roy Orbinson Pretty Woman an und übertönte das Stimmengewirr. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer das aufgelegt hatte. Als wir zum erstenmal miteinander geschlafen hatten, hatte ich sie bei diesem Stück ausgezogen, und danach hatten wir es beide nicht mehr hören können, ohne daran zu denken. Ich spürte ihren Blick, der sich in meinen Nacken bohrte. Aber ich stockte nicht. Das war nicht schlecht von ihr eingefädelt, und es war ihr gutes Recht, ich war neugierig, was sie sich noch einfallen ließ.
Auf meinem Weg begegnete ich Hermann, der es liebenswürdigerweise übernommen hatte, die Tabletts von einer Gruppe zur nächsten zu reichen. Er machte ein erbärmliches Gesicht.
- Also nein …! sagte ich mir. Was ist denn jetzt schon wieder …?!
Ich stibitzte ein paar Liliputanerpizzen von seinem Tablett und beugte mich unauffällig zu seinem Ohr:
- Sag bloß nicht, bei dir läßt es sich schlecht an, sag das bloß nicht …!
- Nein, nein … Es ist alles in Ordnung …. stammelte er.
- Na prächtig …! atmete ich auf. Was bekümmert dich denn …?
Ich hatte wahrhaftig nicht den Eindruck, daß mir ein Trumpf auf der Hand fehlte, jetzt, da ich auf dem Weg zum Grand Slam war. Er konnte sagen, was er wollte, seine Miene beunruhigte mich. Und auf welche innere Heiterkeit hätte ich unter diesen Umständen pochen können, was für ein Vater wäre ich gewesen, wenn Hermanns Sorgen nicht vollauf gereicht hätten, mir jeglichen Seelenfrieden zu untersagen? Merkte er wenigstens, daß ich an seinen Lippen hing, daß ich ihn mit wahrem Schrecken aushorchte …
- Herrje …! verkündete er schließlich. Ich glaube, es wird ihr nicht gefallen, ah, ich bin mir fast sicher …!
Ich kapierte nicht sofort, daß er von seinem Geschenk redete. Dann plötzlich fühlte ich mich von einem güldenen Licht überflutet. Er konnte sich rühmen, mir Schiß eingejagt zu haben, ich hatte immer noch ganz weiche Knie. Ich hätte ihn küssen können, doch ich wußte, daß er einen solchen Überschwang nicht mehr sonderlich schätzte – vor allem in der Öffentlichkeit, vor allem, wenn es keinen guten Grund gab –, daher begnügte ich mich damit, zu lachen und ihm flüchtig über die Schulter zu streichen:
- Wirklich …? Und deshalb quälst du dich so …?!
- Ach, du weißt ja gar nicht …! ächzte er.
- Menschenskind, Hermann …! Sie wird verrückt sein vor Freude, verdammt, das garantier ich dir …! Sei unbesorgt … Und sonst, wie ist sie, wie sieht’s aus …?
- Eben deshalb habe ich Angst, es sieht nämlich gut aus. Vielleicht schmeißt das alles über den Haufen …!
Ich warf einen raschen Blick in die Runde,
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