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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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mit langen Schritten wortlos von dannen ging.
    - Verdammt, was soll das heißen …?! knurrte ich außer mir, denn endlich hatte ich erfaßt, was vorging.
    Und das gefiel mir ganz und gar nicht, nein, das gefiel mir immer weniger. Man hätte meinen können, sie hätten noch nie einen Fiat 500 gesehen, alle, die sie da waren, man hätte meinen können, sie beugten sich über das Jesuskind.
    - Herrgott sapperlot …! zischte ich durch die Zähne, spürte, daß ich erbleichte, dann rasend schnell vor Wut grün wurde, als ich unverhofft Pauls Blick auffing und sein widerwärtiges Lächeln entdeckte.
    Ich spürte die beißende Kälte nicht mehr, auch nicht das Glück einer winzigen Spur Trunkenheit, mir blieb nur eine dumpfe Wut im Bauch, als sich alle anderen um mich herum lustig machten, ein Schleier tanzte vor meinen Augen, ich preßte den erbärmlichen kleinen Schlüssel in meiner Hand zusammen.
    - Komm da raus! knurrte ich Harold an, der sich kurzerhand hinters Steuer gequetscht hatte und mir an sämtlichen Knöpfen herumfummelte. Ob meiner Grobheit fragten sich manche, ob etwas nicht stimmte, aber ich ließ sie rätseln und setzte mich auf den Platz dieses Schwachkopfs, ohne auch nur ein Wort der Erklärung zu liefern. Ich schlug die Tür zu. Ließ den Motor an und winkte ihnen zu, sie sollten zur Seite gehen, und das galt für alle. Wahrscheinlich glaubten sie, meine Schroffheit gehe ganz natürlich meiner Begeisterung voraus und ich platzte nur so vor Lust, ihn auszuprobieren, ich sei wie ein kleines Kind. Es war mir völlig egal, was sie glaubten.
     
    Ich kam in einem Hagel von Kieselsteinen vor Marianne Bergens Haus zum Stehen. Einige Sekunden lang knetete ich das Lenkrad und hörte mir, umgeben von dem Geruch neuen Plastiks, die Stille an, dann raffte ich mich auf und ging auf die Freitreppe zu. Erneut fuhr mir die Kälte unter die Haut, der Himmel war glänzend und glatt und von einer so furchteinflößenden Schwärze, daß ich unwillkürlich erschauderte. Ich nahm die Steinstufen im Laufschritt, dann – zum Glück war ich allein – rannte ich sie wieder hinunter und mit Volldampf mehrmals wieder hinauf, um mich aufzupeitschen.
    Eine laute, unwirsche Stimme rief mich an, als ich gerade am unteren Ende in die Kurve ging, aber ich blickte nicht einmal hoch und raste im gestreckten Galopp auf die Bude zu. Ich erkannte den Kerl, der sich einst darum gerissen hatte, mein Motorrad abzustellen, um es anschließend auf die Erde zu pfeffern, Gott sei Dank, indem er sich selbst darunter gelegt hatte. Ich stellte fest, daß ich in seiner Achtung nicht gestiegen war, setzte mich jedoch darüber hinweg und schickte ihn los, mir Marianne auf der Stelle herbeizuholen, nein, nein, ich wolle nicht reinkommen, er solle sich bloß sputen, mehr nicht …
    Ich schluckte meinen Ärger hinunter, als ich mit großen Schritten über die Terrasse tigerte, die der Mond blank putzte. Die Gliedmaßen starr vor Kälte, aber brennenden Herzens fühlte ich mich einem Eisbecher ähnlicher als einem Lebewesen, und ich brachte meine Beschwerden mit halblauter Stimme vor, um die Elastizität meiner armen Lippen aufrechtzuerhalten, denn um meine Nase und meine Ohren war es bereits geschehen, ich konnte ihnen Lebewohl sagen, ich traute mich nicht mal mehr, sie zu berühren, aus Angst, sie zu pulverisieren.
    Als sie endlich erschien, hatte mich eine Art von Traurigkeit ergriffen, eine rein physische Traurigkeit, wie mir schien, die direkt vom Himmel fiel in dieser eisigen Nacht, und die Luft, die ich atmete, war in einem Maße mit ihr getränkt, daß ich mich ihr nicht entziehen konnte und nur mehr daran dachte, mich auf die Erde zu setzen und den Geist aufzugeben. Sie schien so froh, mich zu sehen, daß mein Verdruß noch wuchs.
    - Dan …! Bist du denn verrückt …? rief sie mir zu. Warum stehst du denn da draußen …!
    Sie lächelte, war aber offenkundig nicht gewillt, sich zu mir zu gesellen, obwohl sie einen prachtvollen schwarzen Pelz um ihre Schultern schlang.
    - Glaub mir, hier drinnen sitzen wir besser …. fuhr sie in belustigtem Ton fort, als handele es sich um eine extravagante Laune von mir. Ich hielt sie mit einer Handbewegung zurück, bevor sie in ihrem Rollstuhl den Rückwärtsgang einlegte:
    - Nein, warte einen Moment …!
    Leider empfand ich nicht mehr eine solch reine Wut, wie sie mich auf dem gesamten Weg beseelt hatte – mir fiel ohnehin auf, daß mich alles in allem, je mehr mein Leben dahinfloß, die Dinge immer rascher

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