Rückgrad
sogleich zu einem scheinheiligen Lächeln.
- Ooohh … Da wird sich Mademoiselle aber freuen …! Warten Sie hier, ich werde sie sofort benachrichtigen.
- Keine Bange, ich fliege schon nicht weg.
Sie erwartete mich unter einem roten Sonnenschirm, neben einem Swimmingpool von der Form einer Bohne, den ich, die Sonne im Blick, vollständig umkurven mußte. Mir war, als träte ich direkt aus Mort dans l’apres-midi hervor. Das erste, was sie zu mir sagte, war:
- Ich bin sicher, daß wir Schwierigkeiten haben werden, miteinander auszukommen …
Für mich war das eine lächerlich offenkundige Sache, das Gegenteil wäre ein Wunder gewesen. Dennoch bemerkte ich, daß sie ein angenehmes Äußeres hatte, was die Zukunft weniger grausam erscheinen ließ, und ihre Gesichtsfarbe war sehr weiß, was ihr ein geheimnisvolles, fast fiebriges Aussehen verlieh. Ich war der Ansicht, das sei nur Getue, aber ganz sicher war ich mir nicht.
Ich gab keine Antwort.
Und ich entgegnete auch nichts, als sie mit schneidender Stimme hinzufügte:
- Und seien Sie versichert, ich habe Sie nicht ausgesucht, ich nicht!
Im Grunde konnte man sie verstehen. Wie viele Male hatte ich nicht lesen müssen, daß ich nichts taugte, daß ich erledigt sei. Wen konnte es noch reizen, mit mir ein Team zu bilden? Nur eines durfte man nicht außer acht lassen: ich hatte niemanden um etwas gebeten. Aber ich verschonte sie mit meinen Überlegungen und richtete meinen Blick auf die Lichtreflexe des Pools.
Rüde knallte sie ihr Manuskript, das sie irgendwoher geholt haben mußte, auf den Tisch. Ich spürte, daß sie bebte, nur auf ein Wort von mir wartete, um die Kampfhandlungen aufzunehmen, aber der Druck des Lebens hatte mich in eine Marmorstatue verwandelt, und ich hatte ihr nichts zu sagen. Keinen von uns traf irgendeine Schuld. Ihr Vater hatte alles angezettelt.
Ich wartete also ab, nach vorn gebeugt, die Ellbogen auf den Knien, und unterdrückte den Drang, ein paar Steinchen aufzuheben und in das blaue Wasser zu werfen, eine Übung, die mir für gewöhnlich eine große innere Ruhe verschaffte, mich in das profunde Geheimnis des Lebens einweihte. Aber ich befürchtete, daß sie dieses harmlose Spiel falsch auslegen würde, und rührte mich nicht.
- Na schön …. fügte sie schließlich hinzu. Nehmen Sie es mit. Mir wäre lieb, wenn wir so schnell wie möglich beginnen könnten …
Ich stand unverzüglich auf, steckte mir das Ding unter den Arm. Sie starrte mich unfreundlich an, während ein den Umständen entsprechendes Lächeln um meine Lippen spielte.
- Ich bedauere, daß sich unsere Wege gekreuzt haben, schloß sie.
- Auf Wiedersehen, Mademoiselle, sagte ich.
Ich vertiefte mich nicht unverzüglich in die Lektüre ihres Drehbuchs, ich hatte keinerlei Anlaß, mich darauf zu stürzen, und vor allem nicht die geringste Lust. Zwei, drei Tage erschienen mir eine angemessene Frist. Ich verstaute das Ding in einer der Schubladen meines Schreibtischs und beschloß, vorläufig nicht mehr daran zu denken.
Ich rief bei Eloїse Santa Rosa an, meiner derzeitigen Freundin, aber ich erfuhr nur, sie habe sich den ganzen Tag über nicht blicken lassen und man wisse nicht mehr als ich. Leicht enttäuscht legte ich auf. Noch eine Sache, die ich abhaken konnte. Ich verstand mich gut mit Eloїse, aber ich sah sie nicht allzu oft, muß ich hinzusetzen. Innerhalb weniger Sekunden schoß mir ein ganzer Schwärm von betörenden Bildern durch den Kopf. Ah! Eloїse Santa Rosas aufreizende Wäsche! Ich ging besser vor die Tür. Ich zog es vor, mit meinen Kräften hauszuhalten und Eloїse ein wenig später erneut anzurufen.
Nachmittags um fünf mit guten Aussichten, am Abend zum Bumsen zu kommen, durch die Straßen zu schlendern war mehr, als für den Seelenfrieden erforderlich war. Auf einmal erschien alles so einfach, kein bitterer Gedanke suchte mich noch heim, und die Bürgersteige wurden zu leuchtenden Pfaden. Und wenn ich auch ein geschiedener Typ, ein gescheiterter Schriftsteller, ein halb versoffener Schreiberling war, die Sonne schien weiter. Was machte es, daß ich meine Haare verlor, daß mein Kreuz ruiniert war, daß meine Jugend vorbei war, wenn es mir noch gelang, fröhlich zu sein.
Diese jähen euphorischen Anfälle waren mir ein unergründliches Rätsel. Dieses Gefühl inniger Freude, das mich urplötzlich erfaßte und dem nichts etwas anhaben konnte, ich wußte nicht, woher es rührte. Es war vorgekommen, daß so etwas über mich hereinbrach,
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