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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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große Abenteuer zu wagen. Die Novelle ist wie ein kleines Papierflugzeug, das du in die Luft wirfst, der Roman hingegen, das ist, als müßtest du einen proppenvollen Bomber aus dem Boden reißen, verstehst du …? Du sitzt an deinem Schreibtisch, krempelst die Ärmel hoch, du schwitzt, all deine Muskeln sind zum Zerreißen gespannt, kannst du mir folgen, Sarah?, denn der Zeitpunkt ist gekommen, sich voll ins Zeug zu legen, der ganze Kram fängt an zu zittern, dann hebt er sich ein paar Zentimeter, und du läßt nicht locker, du betest und betest …
    Plötzlich merkte ich, was ich da erzählte, und ich biß mir kräftig in die Hand. Zum Glück hörte Sarah nicht zu. Die gegnerische Mannschaft hatte einen Konter inszeniert, und auf den Rängen schnürten sich einige Kehlen zusammen. Ich wickelte meine Hand unauffällig in ein Taschentuch. Es war zum Verrücktwerden! Mochte ich auch noch so geheilt sein, ich schleppte immer noch ein paar lächerliche Nachwirkungen mit mir herum. Im allgemeinen schaffte ich es, mich zusammenzureißen, das erste Wort erstarb auf meinen Lippen wie ein vom Meer zurückgespülter Kadaver. Aber ich konnte mich nicht ständig in acht nehmen, von Zeit zu Zeit erlitt ich einen Rückfall, ich geriet für einige Minuten aus den Fugen. Und wie groß war mein Schmerz, wenn ich mich wieder unter Kontrolle hatte, ich bedauerte, daß ich nicht mit einer Peitsche einherging, ich schämte mich, ich schämte mich fürchterlich. Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, diesen Bazillus eines Tages loszuwerden. Dennoch, ich hoffte es von ganzem Herzen.
    - He, meinte sie zu mir und schlug die Hände zusammen, hast du gesehen, Gladys hat zwei Punkte erzielt!
     – Jaja, das wundert mich nicht.
    Gladys war die Jüngste, aber bestimmt eine der besten der Auswahl. Die anderen waren fünfzehn bis achtzehn Jahre alt, manche hatten bereits ernstzunehmende Brüste, was diesen Achtelfinals, diesen famosen Schulwettkämpfen, ein wenig Atmosphäre verlieh. An einem Tag wie diesem erreichte das Spektakel seinen Höhepunkt. Unten auf dem Spielfeld wehte kein Lüftchen, nirgends der geringste Schatten, und gegen Spielende schwitzten sie samt und sonders, ihre Arme und Beine glänzten, und auf den T-Shirts bildeten sich lustige Kringel, und die Shorts klebten teils vorne, teils hinten. Es waren nicht viele Zuschauer gekommen, die Väter waren in der Überzahl. Die Schlußphase lief zumeist in einer feurigen Stille ab.
    Dieses Jahr hatte Gladys’ Mannschaft gute Chancen, den Pokal zu gewinnen. Zweimal nacheinander waren sie ins Finale eingezogen.
    - Langsam geht mir das auf den Zeiger …! erklärte Max, ihr Trainer, jedem, der es hören wollte. Jaja, man sieht schon, du bist nicht an meiner Stelle, meinte er zu mir. Für mich ist das die letzte Saison.
    Die Anzahl der Leute, die in Schönheit enden wollen, ist schier unermeßlich. Man begegnet ihnen an allen Ecken.
    Es herrschte ein wenig der Eindruck, die Ehre des Gymnasiums stehe auf dem Spiel. Beinahe jeden Nachmittag, nach dem Unterricht, war Training angesagt, und da hatten sie nichts zu lachen. Max scheuchte sie hinter den Sportplatz, mitten ins Gestrüpp, den Ball bekamen sie erst nach einer Viertelstunde Gymnastik in die Finger, und man hörte Max’ Stimme durch die Turnhalle schallen, wenn er laut zählte.
    - Verdammt, sagte er mir im Vertrauen, ich hab’s im Gefühl, weißt du, wir sind ‘ne prima Truppe …!
    Der Direktor machte ihnen schöne Augen. Die Lehrer betrachteten ihre Hausaufgaben mit wohlwollendem Blick. Und denen, die in der Kantine aßen, stand eine Scheibe Braten zu, die mindestens so groß war wie der Teller.
    Einige Minuten vor Schluß führten wir mit zehn Punkten Vorsprung. Es bestand keine Gefahr mehr. Max zwinkerte uns zu. Sarah bat mich um eine Zigarette. Doch, das war ein feines Spiel. Ich hatte meine Sonnenbrille hervorgeholt und sah all diesen Mädchen zu, die da unten liefen, und natürlich beobachtete ich Gladys besonders aufmerksam. Sie war ein hübsches Kind, bestimmt wurde sie eine tolle Frau, man brauchte sich bloß ihre Mutter anzusehen. Es wunderte mich überhaupt nicht, daß Hermann sie geküßt hatte, ich fragte mich sogar, wie er so lange hatte warten können.
    Mats Tod hatte uns den Bartholomi nähergebracht. Ich hatte mir damals in den Kopf gesetzt, ich müsse mich um sie kümmern, und in den ersten Monaten hatten wir uns regelmäßig zu fünft getroffen, vor allem am Wochenende, und manchmal waren wir gemeinsam losgezogen,

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