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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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während ich mir noch sagte, jetzt ist es vorbei, ein für allemal, nie wieder wirst du so etwas empfinden. Nun denn, ich täuschte mich. Und diesmal begeisterte mich nicht nur die Aussicht, zwischen Eloїse Santa Rosas Beine zu sinken, sondern auch die Farben der Straße, die Gegenwart der Leute, die Transparenz der Luft. Wie soll ich das erklären?
    Darauf entschloß ich mich, Hermann und mir ein Kokosnußhühnchen zuzubereiten. Ich wußte, daß ich ihm damit eine Freude machen würde, das war eins seiner Lieblingsgerichte. Er fand, wir aßen es viel zu selten, aber so ein Kokoshühnchen, das braucht Zeit, man muß wirklich Lust haben, so etwas zuzubereiten. Ich hatte Lust dazu. Ich hatte Lust, daß er nach der Schule seinen Vater dabei antraf, wie er ihm ein Kokoshühnchen kochte.
    Ich kaufte ein, was ich benötigte, plus eine Flasche leichten Wein und ein paar Scheiben Mortadella, dann machte ich mich unverzüglich auf den Heimweg.
    Eloїse Santa Rosa war immer noch nicht zu Hause. Während ich das Hühnchen zerpflückte, das unter meinen Fingern seine welke Haut zusammenrollte, entwickelte sich um mich herum eine eigenartige Atmosphäre. Wir hatten uns mindestens zehn Tage nicht mehr gesehen. Mit einemmal fingen meine Hände beinahe an zu zittern, ich erntete eine Beule in meiner Hose. Gott weiß, wo sie in diesem Augenblick steckte, mit ihren Armen und ihren Schenkeln und ihrer rasierten Möse und ihrer Brust und ihren Lippen und ihren Händen und ihren Beinen und ihren Haaren und ihren Düften und ihren derben Wörtern, die sie einem ins Ohr raunte, und ihrem ganzen Sortiment von Dessous, die sie mit Präparaten auf Ylang-Ylang-Basis besprühte, während ich zwischen ihren Knien grunzte und mein Speichel auf den mit einem Frotteetuch bedeckten Sessel troff. Ich seufzte, wischte mir mit dem Unterarm über die Stirn und machte mich daran, die Kokosnuß zu raspeln. Wenn ich sie diesen Abend nicht zu sehen bekam, würde ich ihr einen Tanz machen, darüber war ich mir vollkommen im klaren. Ich versuchte, mit ihr Kontakt aufzunehmen, um ihr zu zeigen, in was für einem Zustand ich war, um sie schleunigst nach Hause zu locken.
    Das Telefon klingelte. Mein Herz klopfte wie früher, als ich sechzehn war. Ich ließ alles liegen und stehen, um Eloїse entgegenzueilen, und hechtete aufs Sofa, um mir den Apparat mit Karacho zu schnappen.
    - Hallo, Papa …?
    Meine Aufregung flaute umgehend ab. Es kam selten vor, daß mich Hermann Papa nannte. Von daher löste dies in mir, neben einer unbestimmten Rührung, eine gewisse Beunruhigung aus, was er mich wohl fragen würde.
    - Hmm. Ja, Hermann …?
    - Hör mal, ich bin heute abend bei ’nem Freund eingeladen. Ich bleib nicht lang …
    - Hoppla, warte mal …
    - Es ist alles geregelt. Seine Mutter fährt mich zurück, mach dir keine Sorgen.
    Langsam wechselte ich von meiner liegenden in eine sitzende Haltung über, und ich stellte das Telefon zwischen meine Füße.
    - Was ist, einverstanden …!? drängte er mich mit ungeduldiger Stimme.
    - Hmm … Ich hab’s nicht gern, wenn du mich einfach so im letzten Augenblick informierst.
    - Ja, ich weiß. Aber beeil dich, seine Mutter wartet draußen in zweiter Reihe …
    - Na schön. Hast du deinen Schlüssel mit?
    - Jaja, zerbrich dir nicht den Kopf.
    - Nun denn, ich hoffe, du …
    Ich kam nicht mehr dazu, meinen Satz zu vollenden, das Bipbip teilte mir mit, daß die Verbindung unterbrochen war. Ich nehme an, er war bereits aus der Zelle gehüpft, und die Kiste der Frau fuhr los.
    Ich bereitete mein Kokoshühnchen zu, als ob nichts wäre, ohne auch nur im geringsten zu schludern, ich hatte bloß keinen großen Hunger mehr. Ich war immer noch damit beschäftigt, als es Abend wurde. Das ist ein ziemlich aufwendiges Gericht.
    Zum guten Schluß rührte ich es nicht an. Ich machte lediglich die Flasche Wein auf und begnügte mich mit einer Scheibe Mortadella und einer Paprikaschote, die ich im Wohnzimmer verzehrte. Ich kannte die Stille in dieser Bude recht gut, ich hatte ihr lang genug zugehört. Ich wußte, welches Möbel knackte, welches knarrte, welches halb zugige Fenster im Wind leicht vibrierte, nichts war mir fremd. Ich kannte diese Stille wie meine Westentasche, und wir hatten uns, wenn ich so sagen darf, aneinander gewöhnt. Vor allem, seit ich nicht mehr schrieb, seit ich aufgehört hatte, laut zu reden.
    Ich liebte es über alles, mich auf den Boden zu setzen, das Kreuz gegen das Sofa gequetscht. Ich schlug die Beine

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