Rückgrad
Schokolade und einer Handvoll Croissants. Sie schenkte mir ein Lächeln, das einen ganzen Tag aufheitern konnte. Ihr schwarzer Lederminirock war wie ein Dolchstoß.
- Ich glaube, ich nehme einen großen Kaffee, sagte ich zu Enrique, der gähnend hinter mir her geschlichen war und sich sogleich wieder verzog, muy bien. Meinerseits lächelnd guckte ich sie eine Sekunde lang an, dann hechtete ich über den Tisch und bemächtigte mich kühn ihrer Lippen. So beruhigte ich mich ein wenig. Ehrlich gesagt war ich kein großer Kußfanatiker, und ich war mir bewußt, daß ich mich an einem öffentlichen Ort aufhielt, was ein Mindestmaß an Zurückhaltung erforderte. Immerhin konnte ich so ihren Geruch wahrnehmen, mich ihrer Gegenwart vergewissern, eine Hand in die Wärme ihres Nackens schieben. Ich nahm meinen Platz wieder ein, damit Enrique meine Tasse vor mir abstellen und anderswo dämlich weitergrinsen konnte. Sie war völlig aus dem Häuschen. Natürlich versetzte nicht ich sie in einen solchen Zustand, aber ich hoffte gleichwohl, davon profitieren zu können. Nach dem, was sie mir mit Augen, leuchtend wie Laternen, erzählte, winkte ihr endlich die Chance ihres Lebens. Die Verträge waren unterzeichnet, nächstes Frühjahr kam die Platte raus, war das nicht toll? Und wie! Ich nickte Enrique zu, er solle uns zwei Tequila Sunrise bringen, um die Sache zu feiern. Während ich eine Hand unter dem Tisch verschwinden ließ, machte ich ihr trotz allem dieses wochenlange Schweigen ein wenig zum Vorwurf, das mich, wisse sie das wenigstens, entsetzlich betrübt habe. Also nein, da redete ich von Wochen, wo sie bald zwei Jahre auf diesen Tag gewartet habe, ich dürfe nicht so egoistisch sein. Ihr Schenkel fühlte sich derart weich an, daß es einem den Atem verschlug. Ah, sie möge mir verzeihen, ich hätte doch nur Spaß gemacht, aber deshalb habe sie mir trotzdem gefehlt. Sie war in der Schweiz gewesen. Ob ich die Schweiz kannte, ob ich gern Schokolade aß?
- Enrique, dos otros! rief ich aus.
Sie zog zwei Tafeln aus ihrer Handtasche, dabei blockte sie meine Hand zwischen ihren Beinen ab. Sie hatte gar keinen Grund, sich zu beunruhigen, niemand konnte uns sehen. Oder fand sie, daß ich ein paar Stufen übersprang, sollte ich Eile und Überstürzung verwechselt haben? Sicher, das war nicht der ideale Ort, aber der Kontakt mit ihrer Haut brachte mich um jedes bißchen Verstand, am liebsten hätte ich alles mögliche versucht. Sie hatte neue Stücke geschrieben, sie konnte es kaum erwarten, sie mir vorzuspielen. Soso, sie mir vorspielen! Ich konnte meine Hand weder vorrücken noch zurückziehen. Ich fragte mich, ob sie zergehen werde. Sie war sicher, daß sie ein paar Kilo zugenommen hatte, ich könne ihr ruhig die Wahrheit sagen.
- Sehr gut, antwortete ich ihr. Wenn das so ist, werde ich eine ungemein gründliche Untersuchung vornehmen.
Sie solle mich nur eben die Getränke zahlen lassen, dann könnten wir direkt in ihr Schlafzimmer flitzen, um uns die Sache ein wenig näher anzusehen. Elsie, habe ich mich klipp und klar … ? Meine Frage ließ nicht den geringsten Zweifel. Es gibt nicht viele Dinge im Leben, die so traumhaft sind, wie einer Frau in die Augen zu blicken, wenn man seine Karten aufgedeckt hat. Ich pochte an der Pforte zum Paradies, knetete, soweit dies machbar war, ihren Oberschenkel, die Pupillen von einem höllischen Feuer erweitert.
- O Danny …. sagte sie sanft zu mir.
Sie streichelte mir freundlich über die Wange, und mein sprießender Bart begann unter ihren Fingern boshaft zu knirschen.
- O Danny, ich hab gerade meine … Das ist wirklich Pech …
Ganz einfach: ich weigerte mich, ihr zu glauben. Ich zog postwendend meine Hand aus ihren Beinen zurück und biß mir, den Blick abgewendet, in den Daumennagel. Auf diese Weise beging ich einen schmerzlichen Fehler, denn meine Finger waren noch ganz von ihrem Geruch durchdrungen, und ich geriet auf meinem Stuhl quasi ins Schwanken. Ich hatte dermaßen Lust auf sie, daß ich fast erschrak.
- Mir gefällt das auch nicht, murmelte sie. Ich hoffe, da bist du dir drüber im klaren …
Nein, da war ich mir, ehrlich gesagt, überhaupt nicht drüber im klaren, ich sah nicht ein, weshalb ich lügen sollte.
- Meine Güte, guck mich nicht so an, murrte sie verdrossen. Du tust so, als hätte ich das mit Absicht gemacht.
- Tja, Scheiße, genau das frage ich mich!
Sie zögerte einen Augenblick, dann packte sie gemächlich ihre Sachen zusammen und ließ mich
Weitere Kostenlose Bücher