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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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keine Lust, darüber zu reden …
    - Mach weiter, sagte ich zu ihr. Wenn es das letzte Mal ist, dann gönn mir noch ein paar Minuten …
    Sie stieß ein amüsiertes Knurren aus und streichelte mir sanft über die Schultern. Einen Moment lang verharrten wir schweigend, fast reglos. Ich spürte ihren Atem in meinen Haaren. Manchmal verstärkte sich der Druck ihrer Finger, so als wollten sie sprechen. Natürlich, sie hatte ein wenig getrunken, aber das erklärte nicht alles, jedenfalls war das verdammt angenehm. Früher hatten wir mitunter gewisse Spielchen recht weit getrieben – nur noch ein Schritt, und da wäre der Abgrund gewesen, in den ich zu stürzen hoffte –, neben denen das hier nur Kinderei war. Ich hatte bereits an ihren Brüsten geknabbert, meine Hand auf ihre Hinterbacken gelegt, halbnackt hatten wir uns aneinander gepreßt, ich hatte meine Zunge in ihren Mund geschoben usw. und nicht nur einmal, nein, des öfteren, so daß eigentlich mehr als eine schlichte Nackenmassage hätte kommen müssen, um mich aufzuwühlen. Doch diesmal war das anders, ich spürte, daß etwas in der Luft lag.
    Als die Sitzung endete, war ich irgendwie belemmert, wie nach einem Dampfbad, und ich kannte meinen Hals und meine Schultern nicht mehr. Sie zog ihre Hände nicht sofort zurück, ein Glück angesichts des traurigen Schlamassels, den ein zu abrupter Abbruch bewirkt hätte. Dabei glitt sie jedoch unmerklich zur Seite, und ganz allmählich sah ich neben mir die ersten Vorboten eines weißen Morgenlichts erscheinen. Das war, in Frottee gehüllt, der Umriß ihrer Hüfte, der sich unglaublich langsam aus dem Schatten schob. Ich kannte sie trotz allem gut genug, um zu wissen, daß sie keine Schau abzog, sondern schlicht zögerte und widerstrebenden Kräften ausgesetzt war. Sarah und zögern …?! Ich war mit Sicherheit der erste Typ, der sie in dieses Dilemma stürzte.
    Ich rührte mich nicht. Sie brauchte nicht darauf zu hoffen, daß ich ihr half. Als sie gänzlich in Licht getaucht war, drehte ich leicht den Kopf. Die Schöße ihres Bademantels überlappten sich nicht. Keine Ahnung, ob Dolbello für ihre Dessous aufkam, jedenfalls handelte es sich um ein hinreißendes, elfenbeinfarbenes Höschen aus Seidenkrepp mit breiten Spitzen in den Einbuchtungen der Oberschenkel. Ich hatte noch nie die Erlaubnis gehabt, mich in diese Gegend vorzuwagen, ich hatte höchstens ihr Vlies einmal flüchtig berührt, als sie nicht acht gab, aber ihren Geruch kannte ich. Ansonsten barg keine Pore ihrer Haut ein Geheimnis für mich.
    Bestimmt fragte sie sich, was ich trieb. Eine ihrer Hände umschloß behutsam meinen Nacken – und das ist noch übertrieben für eine solche zarte Berührung –, während sie ein wenig die Beine spreizte. Auch da konnte sie vielleicht nichts für, vielleicht zwang sie das nervtötende Schlingern des Waggons, ihr Gleichgewicht zu wahren. Ich wartete ab, schielte seelenruhig nach der Frucht meines früheren Begehrens, die sich eng in weiße Seide schmiegte und auf diese Weise zu einer reizenden Schamlosigkeit, einer unverfälschten Obszönität gelangte.
    Da sie meine Passivität nicht mehr aushielt, beugte sie sich zum Tisch und angelte sich eine Zigarette. Offensichtlich weigerte sie sich, mir noch mehr auf die Sprünge zu helfen. Sie verstand nicht so recht, was los war, zumal ich ihr mit einem schwachsinnigen Lächeln aufwartete. Ich gab ihr Feuer. Sie schaute mich kurz an, sie dachte:
    - Habe ich mich vielleicht mißverständlich ausgedrückt …? Meine Güte, was braucht er denn noch …?!
    Sie setzte sich mir gegenüber auf ihre Liege, den Rücken gegen die Wand gelehnt, und schlug demonstrativ die Schöße des Kleidungsstücks über ihre Beine. Sie schien nicht wütend, auch nicht nervös, höchstens ein wenig enttäuscht. Ihr Gesicht – ungeschminkt, die Haare straff auf dem Kopf – war von jener ruhigen Schönheit, die mir naheging. Einige Minuten lang verlor sich ihr Blick in der Ferne. Dann richtete er sich auf mich:
    - Legst du dich nicht schlafen …?
    - Hör mal, fragt man einen chronisch Schlaflosen, ob er in einem Zug schlafen kann …? scherzte ich.
    - Oh, ich dachte, das sei besser geworden …
    - Nein, das hat wieder angefangen, seit Elsie fort ist. Ich glaube, das ist mein wahres Wesen …
    - Herrgott! Es wird immer wärmer, findest du nicht …?
    Ich nickte. Es konnte gut sein, daß das mit der Temperatur zu tun hatte. Ich wurde mir nicht schlüssig, ob sie einfach körperlich Lust hatte oder

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