Rückgrad
wachrief oder ein Bild aus vergangenen Zeiten, das mit ihr zu tun hatte, ausgrub und in Augenschein nahm, als ob ich all das zum letztenmal sah, danach zerfiel alles ganz ohne mein Zutun zu Staub. Auf diese Weise lösten sich auch so manche Dokumente, die um ihr Badezimmer kreisten, ein frottierter Rücken, ein abgetrockneter Körper, in Wohlgefallen auf, zumindest war dies mein Eindruck, zog nicht danach tiefste Finsternis auf …?
- Immerhin, besonders fröhlich bist du nicht …! meinte sie in recht freundlichem Ton.
- Nein, nein, es ist alles in Ordnung …. sagte ich.
- Ich brauch nicht mehr lange … Oh, es gibt nichts Schöneres! Trotz des dumpfen Lärms, der hartnäckig durch das Abteil dröhnte, konnte ich hören, wie sie mit dem Wasser spielte, einem dichten Nebel gleich sah ich die Spitzen einiger zarter Dampfschwaden über den Boden kriechen.
- Bist du müde …?
- Es geht.
- Hast du keine Lust zu reden …?
- Ich weiß nicht, wozu ich überhaupt Lust habe. Vielleicht höre ich dir lieber zu.
Schlagartig sagte sie nichts mehr. Doch das Wasser hörte auf zu fließen, und es entstand eine Art Schweigen, ein weißer Fleck im Reich der Blinden. Wie oft hatte ich, seit sie Dolbello begegnet war, von einer solchen Situation geträumt, davon, daß die Stunde schlug, da ich allein mit ihr war, um sie zu packen und mich mit ihr auszusprechen, ohne daß sie entweichen oder sich taub stellen konnte, doch jetzt, da der ersehnte Augenblick da war, stand mir nicht der Sinn danach, ihn wahrzunehmen, bewußt ließ ich die schöne Gelegenheit sausen, selbst auf die Gefahr hin, daß es die letzte war, mit ihr abzurechnen. Ich wußte selbst nicht, was in mich gefahren war. Mir war, als sähe ich mein Hab und Gut abbrennen, ohne einen Finger krummzumachen. Vielleicht kam mir endlich zu Bewußtsein, daß ich sie unwiderruflich verloren hatte, vielleicht errichteten wir Welten, die zwangsläufig zur Auflösung verurteilt waren. Ich schloß einen Moment die Augen, von einer dumpfen Trägheit an meinen Sitz gefesselt.
Noch bevor sich ihre Hände auf meine Schulter legten, erzitterte mein ganzer Körper. Ich nahm die Füße vom Tisch, neigte den Kopf zurück und überließ mich wortlos diesem alten ehrwürdigen Ritual. Ich hatte ihr einmal vorgeschlagen, sie dafür zu bezahlen, um mich dieser Sitzungen zu versichern, und das im Ernst, ich hatte geschworen, kein Preis sei mir zu hoch, aber sie hatte mir nur ins Gesicht gelacht und sich nicht gescheut, mich in ein Grab der Ungewißheit sinken zu lassen, sie mache das nämlich ganz nach Lust und Laune und ich solle mich zum Teufel scheren.
Meine Trapez- und Deltamuskeln rollten in ihren Fingern, unter ihren Daumen, jeder kleine und große Obliquus, als ich, von meiner Überraschung nur halb erholt, die Augen öffnete und sie in der Glasscheibe erblickte, in einen weißen Bademantel gehüllt und über mich gebeugt, die Augen niedergeschlagen und die Haare noch feucht und sorgfältig zurückgekämmt, und ich fragte mich, worauf sie hinauswollte. Mit was für einer verflixten Bitte würde sie jetzt wieder herausrücken …?! Besser, ich machte mich auf das Schlimmste gefaßt, wenn ich sah, mit welchem Eifer, ja welcher Andacht sie sich ihrer Aufgabe widmete. Allein, konnte ich ihr irgend etwas abschlagen, wenn sie in dieser Weise vorging …?
- Du weißt, das hätte niemals geklappt …. murmelte sie.
Ich sagte nichts. Ich hatte jedoch oft darüber nachgedacht, und ich war nicht ganz ihrer Ansicht, ich glaubte nicht, daß wir gar keine Chance gehabt hätten. Deshalb hätte ich es auch gern auf einen Versuch ankommen lassen, wenn sie mich nur gelassen hätte. Mit halben Sachen lassen sie sich natürlich nie abspeisen.
Sie hatte einen Rhythmus gefunden, der zu einem Sklavenlied auf einem Dampfschiff gepaßt hätte. Es kam mir vor, als schwanke der Zug langsam hin und her und als führen wir einen großen, träge dahinfließenden Fluß hinauf. Ihre Hände glitten nicht über meine Haut, sie schienen wahrhaftig in sie einzudringen, leicht wie mein eigenes Fleisch zwischen meine Muskeln zu schlüpfen. Nebenbei gesagt, auch Elsie schlug sich da nicht schlecht.
- Du, ich kann nichts dafür, wenn das Leben bescheuert ist …
- Mmm, Sarah … Ich habe dir nie irgendwelche Vorwürfe gemacht.
- Ach … Es bringt doch nichts, darüber zu diskutieren, ächzte sie.
- Da kann ich dir nur zustimmen.
- Du weißt es, das Leben ist bescheuert, und ich kann nichts dafür … Ich hab
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