Rückgrad
gerammt und das Kinn in die Hand, und sie sah mich scharf an, nicht besonders feindselig, aber kalt und genau.
- Nein, ich habe mir nur das Leben vereinfacht. Beweise, die brauche ich nun wirklich nicht mehr.
- Trotzdem hast du gewartet, daß ich die Hand nach dir ausstrecke … Ich hoffe, du weißt es zu würdigen, ich hoffe, du erinnerst dich wenigstens daran, ich bin regelrecht zerflossen, so muß man es wohl nennen … Das wolltest du doch, nicht wahr, o hab keine Angst, ich versichere dir, du hast nicht geträumt … Na, wem willst du jetzt noch weismachen, du ständest mit leeren Händen da …?! Du hast mir etwas genommen, und das weißt du genau … Ich möchte wissen, was ich dafür erhalten habe, sag mir doch, was hast du mir gegeben …?!
- Das war kein Tausch. Manchmal erhält man nichts, es gibt nicht für alles eine Gegenleistung im Leben. Was willst du …?! Habe ich deine Eigenliebe verletzt …? Weißt du, wie oft ich bei dir meinen Stolz hinunterschlucken mußte …?!
- Wir hatten etwas beschlossen … !
- Nein, ich habe niemals auch nur irgend etwas beschlossen. Ich hab bei diesem Freundschaftstralala mitgemacht, weil ich keine andere Wahl hatte. Aber wenn man nicht bekommen kann, was man möchte, sollte man nicht den tragischen Fehler begehen, etwas zu akzeptieren, das dem ähnelt.
- Ich brauchte einen Freund, nicht noch einen Typen, der mich bumst …!
- Unter diesen Umständen solltest du mich weiter warmhalten, da kann ich dir noch nützlich sein.
Etc. Ad nauseam. Nil novi sub sole.
V. Dolbellos Hütte lag zum Meer hin. Es handelte sich um ein recht hübsches Bauwerk am Ende der Stadt, ein wenig tiefer gelegen und relativ isoliert im Schatten robuster Pinien, die es von der Straße aus praktisch unsichtbar machten und den Duft von Hustenbonbons verströmten.
Der Taxifahrer hatte uns am oberen Ende des Weges abgesetzt, er weigerte sich, seinen nagelneuen 190 D über einen Lehmweg zu steuern. Es störte mich nicht, ein wenig zu wandern. Nach der Nacht, die wir hinter uns hatten, erschien mir nichts aufmunternder als dieser stille, von staubigen Strahlen durchbohrte Hohlweg, der sich unter Bäumen zusammenkauerte, aber von meinem Trinkgeld würde sich der Kerl keine neuen Alufelgen kaufen.
Ich war recht vage gestimmt. Während wir auf das Haus zugingen, versuchte ich mich ein wenig zu entspannen, indem ich die Landschaft bewunderte, aber bei dem Gedanken, Dolbello wiederzusehen und dazu noch bei ihm, verging mir alles. Erst als ich Gladys hinter der Bude auftauchen und in einem fluoreszierenden Badeanzug rasch auf uns zulaufen sah, fand ich mein Lächeln wieder.
- Ah, kommt schnell! rief sie uns zu. Er hat Richard im Keller eingeschlossen …!
- Das ist doch nicht dein Ernst …! erklärte ich und eilte ihr nach.
Hermann war mit dem Schloß beschäftigt. Ich schleuderte meine Tasche auf einen Stuhl und blickte ihn fragend an.
- Tag Papa. Du kommst gerade recht. Ich fummel schon ‘ne Weile daran rum, aber ich geb’s bald auf …!
- Nein, sagt mal … Spinnt der, der Kerl …?! Das war eigentlich keine Frage.
Ohne noch länger zu zögern, schaute ich mir die Tür an. Hermann reichte mir eine Gabel mit verdrehten Zinken sowie ein altes Küchenmesser, das ich mit mildem Lächeln zurückwies. Dann forderte ich Richard auf, von der Tür wegzutreten.
- Ich glaub, auf die Tour wirst du sie ganz schön demolieren …. raunte mir Hermann zu.
- Pah, das ist nicht gesagt …
Ich verpaßte der Türfüllung einen fürchterlichen Tritt, genau über der Klinke, mit dem Absatz nach vorn und mit zusammengebissenen Zähnen und dem Gefühl, das Übel der Welt zu bekämpfen. Aber es passierte überhaupt nichts.
- Verdammt nochmal! Ich brauchte ‘nen Hammer oder ‘nen Stoßbohrer!
Ich verpaßte ihr noch einen, noch ein wenig wilder und ohne das geringste Mitleid. Und sogleich einen dritten. Diesmal spuckte sie sämtliche Zähne aus, sie drehte sich in ihren Angeln und prallte vehement gegen die Wand.
Richard ging durch die Küche, ohne einen Ton zu sagen. Sämtliche Blicke richteten sich auf ihn, aber er sauste schnurstracks nach draußen, er bückte sich nur, um seine Katze einzusammeln, die sich nach ihm erkundigen wollte, und ließ die Tür sperrangelweit auf.
- Ich seh nach, wie’s ihm geht …. flüsterte mir Hermann zu und verschwand seinerseits.
- Also nein, was ist denn passiert …?! stöhnte Sarah, während ich die Risse in der Zarge untersuchte. Und wo steckt Vincent …?!
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