Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
mit einem Exemplar aus der Familie der Prospekte vor ihrer Kehle wedelte.
    Sie fand es nur natürlich, daß ich meine Arbeit als Schriftsteller wieder aufnahm, die Welt sei zwar absurd, aber manchmal müsse sie sich eben doch beugen und zulassen, daß die Dinge wieder ins Lot kamen, nun ja, sofern sie sie zufällig einmal nicht zerbrochen hatte. Jedenfalls machte sie sich um mich keine Sorgen, sie freute sich über das, was ich erreicht hatte. Das Abteil vibrierte leicht, es ächzte, bullerte, klimperte in einem fort wie ein Sack voll Münzen in einer Räuberhöhle. Ich hatte das Gefühl, daß einige Begriffe in ihrem Kopf durcheinandergeraten waren, ich hörte jedoch auf mein gutes Herz und erklärte ihr, daß es ein Unterschied sei, ob man ein Drehbuch hinschmiere oder ein Buch schreibe. Erklärte ihr, daß zwischen der Arbeit, die mir Marianne anvertraut hatte, und dem Quasi-Wunder kaum ein Zusammenhang bestehe. Ich ließ mich sogar ein bißchen fortreißen.
    -Jeder kann sich den Kopf zerbrechen und auf eine Idee kommen. Mit einer Idee und ein wenig Talent kannst du ein Drehbuch schreiben. Wenn du eitel bist, schreibst du ein Buch. Nur, weißt du, wenn du eines wirklich brauchst, um ein Schriftsteller zu sein, dann ist das der Stil. Und nichts, keine Idee, kein Talent, kein noch so unbändiger Stolz kann ihn je ersetzen. So etwas ist sehr selten, aber man erkennt ihn auf den ersten Blick … Der Stil ist das Licht, das vom Himmel fällt …!
    Hiernach, die Augen noch ungestüm zu dunklen Schießscharten zusammengekniffen, ärgerte ich mich schwarz, daß wir meine eiserne Reserve aufgebraucht hatten. Ich wollte nur einen Kurzen, einen simplen Schluck, um die Pille hinunterzuwürgen, aber wir hatten nicht einen Tropfen mehr übriggelassen. Ich schielte einen Augenblick nach der Notbremse, dann resignierte ich und fragte Sarah, ob sie mir bitte einen Kaugummi reichen könne. Es war schon eine Weile her, daß ich aufgehört hatte zu schreiben, aber mir war, als schleppte ich das seit ewigen Zeiten mit mir herum. Sie starrte mich einen Moment an, während mir diese schmerzliche Überlegung durch den Kopf ging, dann verkündete sie, langsam habe sie schrecklichen Hunger.
     
    Flaschen waren in diesem Zug nicht zu bekommen, doch zum Glück geriet ich an einen jungen, recht aufgeweckten Kerl, der sich bereit fand, meinen Flachmann gegen eine kleine Belohnung aufzufüllen, M’sieur, sooft sie wollen, versicherte er mir, während er geschwind den Schein in seiner Tasche verschwinden ließ. Er wirkte etwas enttäuscht, als ich ihm erklärte, das sei wohl nicht erforderlich. Während er den Tisch abräumte, dachte ich kurz nach, und zur Sicherheit bestellte ich noch zwei Bourbon zusätzlich. Sowie Mineralwasser, und zwar die große Ausführung, präzisierte ich.
    Ich hatte keineswegs die Absicht, mich zu betrinken. Aus diesem Grund hatte ich zum Essen auch nur eine halbe Flasche Wein bestellt, und ich hatte sie kaum angerührt, Sarah hatte es auf sich genommen, ihr den Garaus zu machen. Während der gesamten Mahlzeit war ich Zeuge der ungeheuren Ausstrahlung gewesen, die von ihr ausgehen konnte, und immer wieder war ein unwiderstehliches Lächeln zu mir herübergeflogen und hatte mich flüchtig angestrahlt, bevor es im Schatten verschwand. Das war bestimmt eine prickelnde Nummer, voll Zauber und Geheimnis, und – wenn man mich fragte – das erste Weltwunder, aber sie zu würdigen war etwas anderes. Sie hätte tanzen können, um Regen vom Himmel fallen zu lassen, mein Herz wäre trocken geblieben. Ich wurde von einem dumpfen Weltschmerz ergriffen, Gott, sie verdiente es, daß man sich ihr zu Füßen warf …! Aber ich blieb seelenruhig in meinem Sessel sitzen, ach ja, es gibt Dinge, die sind nicht zu erklären.
    Kaum war der Typ zur Tür hinaus, stand ich auf, um das Abteil abzuschließen, und in diesem Moment sagte sie:
    - Erzähl Vincent bitte nichts davon, sag ihm nicht, daß wir beide allein in einem Abteil waren …
    Ich setzte mich erst einmal hin, so gut fand ich das.
    - Nein, sag ehrlich … Meinst du das ernst …? fragte ich sie mit sanfter Stimme.
    Sie lächelte immer noch, aber ich ließ mich dadurch nicht täuschen. -Ja, natürlich … Ich wollte mich nicht aufregen, das war mir zu dämlich.
    - Verdammt …! seufzte ich.
    - Komm, Dan … Vielleicht würde er das falsch verstehen. Kopfschüttelnd schaute ich zum Fenster hinaus, doch ich sah nur ihr Spiegelbild, das sich zu mir hinüber beugte, und die

Weitere Kostenlose Bücher