Rückgrad
Fingerspitzen wie einen noch dampfenden Klumpen Gedärme festhielt. Jedenfalls hätte ich es nicht haben mögen, um mir damit die Stiefel zu wichsen, und Sarah hob eine Hand vor den Mund, und Gladys wurde erneut von einem Schluchzen erfaßt. Technisch gesehen, war die Exekution einwandfrei. Durchlöchert, zerrissen, zerschnitten und, als wäre ein solch erbittertes Vorgehen nicht vollauf genug, obendrein von A bis Z angesengt, das arme Kleid war nur noch ein häßlicher Putzlappen, ein langer widerwärtiger Schrei.
- OH, MAMA …!!! BITTE, MACH ETWAS …!!
Sarah nahm ihr das Kleid aus der Hand und ging auf Richard zu. Zuallererst schaltete sie den Fernseher aus. Ich hätte als letzter dagegen protestiert, aber auch Richard sagte nichts, er stierte weiter geradeaus, als wäre nichts passiert. Sie beugte sich über ihn und packte ihn am Kinn, um seinen Kopf hochzuklappen.
- Richard, das wirst du mir erklären …. sagte sie zu ihm.
Er stieß sie zurück. Ich hätte nicht an Sarahs Stelle sein mögen, sie tat mir leid. Alles war dermaßen schwierig zwischen ihr und ihrem Sohn, dermaßen gespannt, dermaßen kompliziert. Kaum standen sie einander gegenüber, verfinsterte sich der Himmel.
- Richard, ich warte …
Da war sie nicht die einzige. Gladys wischte ihre Tränen ab und hielt den Atem an. Ich setzte eine Hinterbacke auf die Armlehne des Sofas, als ob nichts wäre, denn mich überkam eine entsetzliche Müdigkeit, und die Stille im Zimmer war fast schon ohrenbetäubend.
Langsam wandte er sich ihr zu. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, Mat säße da, aber der Blick, den er seiner Mutter zuwarf, brachte sogleich Ordnung in meine fehlgeleiteten Sinne.
- Sprichst du von diesem Nuttenkleid? Darüber willst du mit mir sprechen …?
- DU BIST DOCH EIN ARMER IRRER!! schrie Gladys. Sarah senkte ihren Blick auf das Kleid, das sie mit Kennerhand abzuwiegen schien.
- Und du, Richard, wenn ich recht verstanden hab, du kennst dich da aus …. nicht wahr?
-Ja, ich weiß, was ich sage.
- Nein, du weißt überhaupt nichts. Halt dich mit deinen fünfzehn Jahren nicht für den lieben Gott, was weißt du schon …
- Das wirst du mir büßen, das versprech ich dir …!! zischte Gladys durch die Zähne.
- Richard, du bestimmst hier nicht, wie sich deine Schwester kleidet. Merk dir das. Verlaß dich drauf, ich meine es ernst.
Ich konnte die beiden verstehen, aber ich konnte mir auch vorstellen, was er empfand. Ich hatte nur die eine Angst, daß mich einer von ihnen zum Zeugen nahm. Ich hatte nur einen Wunsch, nämlich diese peinliche Geschichte zu vergessen. Hätte ich nichts getrunken, wäre ich abgehauen. Statt dessen beobachtete ich die Szene, ohne einen Ton zu sagen, leicht verwirrt und zutiefst enttäuscht, wie dieser Abend endete, den ich kurz zuvor noch gepriesen hatte.
- Für heute hab ich genug von dir, sagte sie zu ihm. Ich geh schlafen. Gladys, komm mit …
Ich blickte ihnen nach, wie sie Arm in Arm die Treppe hochstiegen.
Richard hatte sich nicht bewegt, außer daß sein Hals zwischen seinen Schultern verschwunden war. Ich hatte ihm nichts Besonderes zu sagen, aber ich entschloß mich, noch nicht sofort zu gehen. Es war nicht nötig, daß er mich gleich ins gegnerische Lager einordnete.
Um uns herum rauschte die Stille, – Mat, ging es mir durch den Kopf. Wenn du das mit Absicht getan hast, dann wünsch ich dir, daß du in der Hölle brätst.
Schließlich wandte sich Richard an mich. Er war nicht mehr der gleiche.
- Hast du das Ding gesehn? Es war durchsichtig!
- Hmm …
- Dermaßen mini, daß man ihren Hintern sehen konnte …
- Oh …
- Scheiße, hab ich denn nicht recht?
- Ich weiß es nicht, Richard.
Wahrhaftig, ich wußte es nicht.
Endlich kam der Abend meiner Verabredung mit Elsie. Ich war kaputt, dennoch schlüpfte ich in das Leopardenhöschen, das sie mir zu meinem vierzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Mein Magen ragte leicht darüber hinaus. Zum Glück hatte ich genug Haare auf dem Bauch, um anderen etwas vorzugaukeln und den Tribut der Jahre als Schatten durchgehen zu lassen, zumindest machte ich mir das gerne vor, und hieß es nicht in den Zeitungen, die Frauen fänden das beruhigend, ich meine natürlich nicht die Haare, sondern diese paar mißlichen Kilo, mit denen, was mich betraf, keinerlei Gymnastik, keine noch so schweißtreibende Übung fertig wurde. Max zufolge mußte ich aufhören zu trinken, sonst kriegte ich das nie hin, das sei sonnenklar. Sicher, das war alles
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