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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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heruntergekurbelt, und die frische Nachtluft strömte ins Wageninnere. Als wir in Höhe des Sportplatzes anlangten, atmete ich tief durch, sättigte mich mit dem Geruch der feuchten Erde, auf der eine Mischung aus Gras und Rinde gor, dann, während in mir die Erinnerung an einige Haiku wach wurde, atmete ich wollüstig aus, sofern ich nicht doch vor Wohlbehagen seufzte.
     
Die welken Blätter
    ruhen eins über dem andern.
    Regen fällt auf Regen.
     
    Du kannst mich ruhig bei dir rauslassen …. sagte ich gähnend zu ihr. Es wird mir guttun, ein wenig zu laufen.
    Wenn mich Gin oder Bourbon an meinen Platz fesselten und mich drängten, die Vorhänge zuzuziehen, so drängte mich der Wein, frische Luft zu schnappen. Von Sarah bis zu mir war es gut ein Kilometer, und ich freute mich schon im voraus darauf. Ah, mich schlaftrunken auf mein Bett werfen, mich mit vereister Nase und heißem Atem auf meinen Laken ausstrecken, die Beine schlaff auf dem Boden, unsicher, ob ich noch die Kraft hatte, mich auszuziehen und mir die Zähne zu putzen, war das nicht eine angenehme Aussicht, hätte ich einen schöneren Wunsch äußern können?
    Sarah fuhr den Wagen direkt in die Garage. Es war noch nicht sehr spät, im Wohnzimmer brannte noch Licht.
    - Natürlich, die hocken noch vor dieser verflixten Glotze, murrte sie.
    Ich war dabei, mich aus meinem Sitz zu schälen, als Gladys erschien. Sie war in Tränen aufgelöst, was nichts Gutes verhieß.
    - Oh! Mama …! wimmerte sie und stürzte sich ohne Umschweife in die Arme ihrer Mutter, was meinen ersten Eindruck vollkommen bestätigte.
    - Mein Schatz, was ist denn …? Na komm, Gladys, mein Schatz …?!
    Ich verstand auch nichts. Oh, und wie sie weinte, ganz niedergeschlagen war sie! Sarah konnte ihr noch so sehr über die Haare streichen und sie an sich drücken, es schien nichts zu helfen. Ich für mein Teil hatte Blei in den Schuhen.
    - He, stimmt was nicht …? fragte ich sie, um nicht zurückzustehen.
    Ich erhielt ebenfalls keine Antwort, und jetzt wurde sie auch noch von einem gewaltigen Schluchzen geschüttelt.
    Sarah führte sie ins Haus. Als sie an mir vorbeikam, warf sie mir einen besorgten Blick zu, also stapfte ich hinterdrein, in der Hoffnung, daß nicht der Speicher in Brand stand, denn ich fühlte mich nicht imstande, Wunder zu vollbringen. Mehr denn je merkte ich, wie sehr ich frischer Luft bedurfte.
    Wir landeten gemeinsam im Wohnzimmer, Gladys hauchte weiterhin ihre Seele aus. Der Fernseher war tatsächlich eingeschaltet. Richard saß auf dem Boden, das Kinn auf den Knien, ungefähr einen Meter vor dem Apparat, den er unverwandt anschaute. Er wandte nicht einmal den Kopf. Dabei war das weiß Gott alles andere als spannend. Das war eine dieser schwachsinnigen Serien, die ich höchstpersönlich geschrieben hatte.
    - Richard …! fuhr ihn Sarah an.
    Die Szene, die gerade lief, hatte mir ziemlich zu schaffen gemacht, und zu guter Letzt hatte ich sie völlig vermasselt. Ganz davon zu schweigen, daß die Schauspieler wie Zinnsoldaten agierten. Wollte Richard uns weismachen, daß man sich so etwas angucken konnte, wen glaubte er mit seiner ungemein faszinierten Miene hinters Licht zu führen?
    - Sag schon! SAG SCHON, W’S DE G’TAN HAS’ …! fauchte Gladys, vor Aufregung einige Vokale verschluckend, plötzlich los. Mit einemmal, die Wangen noch tropfnaß vor Tränen, spie sie Feuer. Doch ihr Bruder blieb ungerührt, wie aus Stein, höchstens seine Kinnbacken zogen sich leicht zusammen, so sehr war er in die Betrachtung von Playboys sterben einsam vertieft, dieser elenden und bedauerlichen Serie.
    - Richard, mach sofort diesen Fernseher aus! herrschte ihn Sarah in einem Ton an, der vermuten ließ, daß es widrigenfalls schlecht um ihn stünde. Er rührte sich nicht. Er schien durch eine unsichtbare Mauer geschützt. Die Starrheit seines Gesichts, auf das mit voller Wucht der helle Schein des Bildschirms fiel, wurde von einer bezaubernden Leichenblässe noch betont.
    - Richard, ich sag’s dir nicht noch einmal, hörst du …?!
    Ein Glück, daß niemand außer mir auf das Fernsehen achtete, ich schämte mich zu Tode. Ich war fast erleichtert, als Gladys einen Satz nach vorne machte und ein Stück Stoff vom Boden aufhob. Ich war sicher, daß niemand zuhörte.
    - ACH, MAMA .! GUCK DIR DAS AN …!! GUCK MAL, WAS ER MIT MEINEM NEUEN KLEID GEMACHT HAT …!! DIESER GEMEINE DRECKSKERL …!!
    Man hätte schon früh aufstehen müssen, um zu erraten, was das war, was sie da mit den

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