Rückgrad
damit, die Schachtel schweigend wieder zu schließen, und erhob mich, um sie an ihren Platz zurückzulegen.
Zum Glück war das ein wundervoller Tag, und wir hatten jede Arbeit. Jetzt war nicht der Augenblick, sich gehen zu lassen und mit den Zähnen zu knirschen, wir konnten den alten Fotos nicht viel Zeit widmen. Es war dermaßen heiß an diesem Spätnachmittag, daß selbst die Trauer einen beinahe zuckersüßen Geschmack hatte. Ich schloß sie eine Sekunde in meine Arme, bevor ich wieder hinunterging, ich sagte ihr, wir müßten uns beeilen.
Es ging darum, einen alten Kühlschrank aus der Garage zu holen. Sarah zufolge war er noch funktionstüchtig, aber im Laufe der Jahre hatte er sich in eine Art Rumpelschrank verwandelt, und mittlerweile war er gerammelt voll mit irgendwelchem Kram, so daß niemand mehr auf die Idee kam, ihn zu öffnen. Also hatte sich mit der Zeit ein ganzer Berg von Sachen vor seiner Tür aufgetürmt, Kisten, Kartons, Farbtöpfe, und ihn da rauszuholen war bestimmt alles andere als ein Klacks. Aber das war noch nicht alles. Das Ding gehörte darüber hinaus zu einem besonders fein ausgetüftelten Regalsystem, dessen wesentliches Element – um nicht zu sagen einziger Halt – er selbstverständlich war, und der ganze Klumpatsch rankte sich Schulter an Schulter bis zur Decke und grinste einen herausfordernd an. Ich trat zögerlich näher, ich blinzelte.
- Bist du sicher, daß du ihn wirklich loswerden willst …? Es ginge fixer, wenn wir ihm ‘nen gebrauchten kaufen würden …
- Nein, auf keinen Fall. Ich will schon seit langem ein wenig Ordnung in der Garage schaffen, und wenn ich’s jetzt nicht tu, dann nie.
Jedesmal, wenn ich mit einem Karton in den Armen auf den Bürgersteig trat, bemerkte ich, daß der Himmel die Farbe gewechselt hatte. Vom Zartrosa waren wir inzwischen zu einem ungemein leuchtenden Rotorange übergegangen, und ich hatte den Eindruck, vor der sperrangelweit offenen Tür eines Backofens vorbeizugehen, es war praktisch niemand mehr auf der Straße, zumindest niemand, der sich noch körperlich ertüchtigte. Man fragte sich glatt, ob die Nacht je kommen würde, ob es irgendeine Möglichkeit gab, das da auszulöschen.
Sarah hörte drinnen in der Garage nicht auf, Sachen auszusortieren. Ich war zusätzlich damit betraut, ihr die dicken Pakete, die Koffer, die unten aufgeplatzten Kartons und alles, was ihr zu schwer war, herunterzuholen, das ganze Zeug, das Mat in all den Jahren herbeigeschafft und abgestellt und gestapelt hatte, lauter Dinge, deren Nützlichkeit einer Frau entgehen mochte. Sie war fähig, sich mit einer Handbewegung einer Kiste voller Kugellager zu entledigen oder den Programmregler einer Waschmaschine über ihre Schulter fortzuwerfen. Versuchte ich sie daran zu hindern, meinte sie nur, ich solle mir keinen Zwang antun, ich brauchte alles nur mit nach Hause zu nehmen, sie jedenfalls wolle von diesem ganzen Kram nichts mehr wissen, der immer mal zu gebrauchen sei und nie wieder gebraucht würde, allein der Gedanke sei bedrückend. Manchmal hob ich die Sachen auf und drehte sie zwischen meinen Händen, dann ließ ich sie wieder fallen.
Schließlich war es uns gelungen, den Kühlschrank vollkommen freizulegen, und im Gedenken an all die Mühe, die er uns gekostet hatte, kippte ich ihn brutal um und leerte ihn auf den Boden und rüttelte ihn ordentlich durch.
- He, mach ihn nicht kaputt …! sorgte sich Sarah.
Das war nicht ihr Ernst, die Kiste war ein echtes Museumsstück. Wenn dieses Ding da noch am Leben war, würde es uns alle unter die Erde bringen, das war meine Meinung. Ich zog mir das T-Shirt aus der Hose, um mir das Gesicht abzuwischen, dann machte ich mich auf in die Küche, Bier holen.
Gerade schleppte ich meine letzte Kiste voll Schrott auf den Bürgersteig und stellte sie ordentlich zu den anderen, als ein Kleinbus, der mit Volldampf von der Straßenecke angeschossen kam, neben mir anhielt. Elsie stieg als erste aus, während der Typ am Steuer seine Sonnenbrille ins Handschuhfach räumte.
- Oh, Dan …! Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu treffen …! verkündete sie mir mit einem solch strahlenden Lächeln, daß ich für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl hatte, sie trage zu dick auf. Sie küßte mich auf die Wange.
- Darf ich dir Marc vorstellen, meinen neuen Bassisten … Marc, das ist Dan …
Sie gab ein leises, dämliches Kichern von sich, was nur zu verständlich war.
Ich drückte die Hand des Bassisten, der überdies
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