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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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einige hinterher, um das Maß voll zu machen, dann raffte ich mich auf und ging ins Haus zurück. Es hatte nicht viel gefehlt, und ich wäre in eben diesem Moment ein armer Elender gewesen, vornübergebeugt, das Gesicht schmerzverzerrt und die Stirn bleich wie im Todeskampf, wem also hatte ich zu danken, wohin mußte ich mich wenden, auf daß ihm der gebührende Dank zuteil wurde, auf daß man mir die Füße reichte, die ich küssen mußte, denn alles hienieden war wunderbar.
    Sarah war allein, als ich wieder im Wohnzimmer aufkreuzte.
    Sie hatte sich nicht von ihrem Sessel gerührt, und sie wirkte ein wenig müde. Sie starrte ins Leere, während sie die Spangen zurechtrückte, die in ihren Haaren steckten.
    - Du hast dich achtbar geschlagen, sagte ich ihr, nachdem ich mich über eine Armlehne des Sofas geschwungen hatte. Klar, wenn sie anfängt, in alle Ecken zu pissen … Aber das Risiko mußtest du eingehen.
    - Hmm … Weißt du, ich verlang ja nicht wer weiß was von ihm … Auch wenn wir nicht einer Meinung sind, sollten wir doch einen Weg finden, daß wir miteinander reden, daß wir uns nicht vollkommen gleichgültig sind. Es ist schrecklich, sich einzugestehen, daß man es nicht einmal geschafft hat, von seinem eigenen Sohn geliebt zu werden.
    - Tja, das ist gar nicht so einfach, meine Liebe. Ein Erwachsener hat immer etwas Verachtenswertes an sich, und meistens kriegen sie es mit der Zeit heraus. Das bringt uns in eine heikle Lage.
    Über uns hörten wir sie rumoren und reden, ohne jedoch zu wissen, was genau los war.
     
    Die Katze wurde Gandalf getauft, und ihr Einzug in das Haus der Bartholomis bewirkte eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Mutter und Sohn. Es bestand sicher kein Anlaß, in lauten Jubel auszubrechen, aber wenn man bedenkt, meinte Sarah zu mir, daß er mir neuerdings guten Morgen wünscht, wenn er aufsteht, naja, glaub mir, das ändert alles für mich, selbst wenn er für den Rest des Tages keinen Ton mehr sagt. Es verstand sich, daß ich den feinen Unterschied haargenau erfaßte. Hätte sie mir nichts davon erzählt, eine gewisse Mäßigung in Richards Betragen wäre mir trotz allem aufgefallen, und das war der helle Wahn. Zum Beispiel konnte er Hermann und Gladys allein lassen, zumindest für ein paar Minuten, und sich wieder zu ihnen gesellen, ohne wie ein Inquisitor dreinzuschauen. Hin und wieder gelang es ihm sogar, ein Lächeln aufzusetzen, an einem Gesprächsfetzen teilzunehmen oder drei Schritte neben einem her zu gehen. Das sah nach nichts aus, zumal er sich das Vergnügen, derart aufzublühen, keineswegs tagtäglich gönnte, aber wer ihn kannte, wer sich die Mühe machte, ihn zu beobachten und gewisse Kleinigkeiten zu registrieren, dem war klar, daß es sich um eine kleine Revolution handelte.
    Sarah behauptete, inzwischen könne sie abends ausgehen, ohne daß er ihr einen dieser zornigen Blicke zuwarf oder irgendeine kränkende Bemerkung fallenließ, wenn sie gerade zur Tür hinaus ging.
    - Naja, ich hab nicht den Eindruck, daß es ihm egal ist, weißt du, wir wollen es nicht übertreiben … Trotzdem, letztens, als er mich aufbrechen sah, hat er lediglich gefragt, ob ich daran gedacht hätte, Dosenfutter für seine Katze zu kaufen.
    Seine Katze! Ah, daß man sich nur ja vorsah, sie nicht von den Polstern zu scheuchen, daß nur ja kein unvorsichtiger Schritt einen der Gefahr aussetzte, ihr auf den Schwanz zu treten! Keine Katze war je in so gute Hände gefallen. Er streichelte sie wieder und wieder, er küßte sie und herzte sie und spielte mit ihr, stundenlang, und dann nahm er sie mit in sein Heiabett, um ihr Märchen zu erzählen und seine kleinen Sorgen. Gladys fand, er werde noch total blöd mit seiner Katze, worauf ich ihr geantwortet hatte, wenn ich sie wäre, würde mich das eher kaltlassen, es sei denn, ihr wäre lieber, er kümmere sich wieder mehr um sie.
    Sie verstand sehr gut, was ich meinte. Eines Morgens stürzte sie sich in Unkosten und stiftete Gandalf sein erstes Halsband. Wie es schien, ließ Richard seitdem, wenn er aus der Schule kam und die beiden allein im Wohnzimmer vorfand –
    - Äh, weißt du, Hermann ist zum Glück da, um mir die Matheaufgaben zu erklären …! – ,
    nur noch ein undeutliches Knurren vernehmen und begnügte sich damit, den Kopf zu schütteln, um anschließend in die Küche zu flitzen und sich eine Tüte Milch zu schnappen.
    Ob er sich über die Art der Beziehungen, die Hermann und Gladys klammheimlich unterhielten, ganz im klaren

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