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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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sein Sohn flügge wird, fühlte ich überhaupt nichts. Ich wollte gar nicht wissen, was sie trieben, wenn sie sich in seinem Zimmer einschlössen, ich quetschte mich nicht hinter die Tür, ich stellte keine Fragen, ich erlaubte mir lediglich, das obere Stockwerk aufzusuchen, auch wenn sie sich dort befanden, das schien mir nun doch das mindeste.
    Es hatte mich erheblich mehr berührt, als Hermann seinen ersten Zahn bekommen hatte oder als er zum erstenmal seinen Namen hatte schreiben können.
    Weniger gefiel mir da schon, daß ich Richard ständig irgendwelche Märchen erzählen mußte, ebenso das unglückliche Gesicht, das er machte, wenn er bei uns vorbeikam und ich ihm antwortete, ich wisse nicht, wo Hermann sei, wo er doch, zusammen mit Gladys, genau über meiner Rübe steckte. Ich war mir nie ganz sicher, ob er wirklich nach Hermann fragte, obwohl sie die meiste Zeit zusammenhockten und man, je größer sie wurden, mehr und mehr hätte meinen können, einer halte es ohne den anderen nicht aus.
    - Ich kann es ihm aber nicht erzählen …! erklärte mir Hermann. Sobald ich nur Gladys’ Namen erwähne, seh ich, wie sich sein Gesicht verfärbt, das ist kein Witz. Er guckt mich auf eine Weise an, daß ich mich frage, ob er mich überhaupt erkennt …!
    - Paß auf … Weißt du, was passieren wird? Halt ihn nicht für einen Trottel, früher oder später wird er etwas merken, und dann fällt er ohne Vorwarnung über euch her. Merk dir, jedesmal, wenn du dich heimlich mit Gladys triffst, sinken eure Chancen, ungeschoren davonzukommen.
    - Ja, aber was soll ich tun …?
    - Ich weiß nicht … Ich hab das Gefühl, gar so viele Lösungen gibt es da nicht. Wenn du mich fragst, du hättest dir für den Anfang ruhig eine etwas weniger komplizierte Geschichte aussuchen können.
     
    Letztlich beschränkte sich meine Rolle darauf, die Augen zu verschließen und mich um Richard zu kümmern, und besonders stolz war ich darauf nicht. Ich verspürte ein Unbehagen, für das ich bislang noch keine Muße gehabt hatte und das ich mir gern erspart hätte, aber noch war mir nicht eingefallen, wie ich anders hätte handeln können, dabei grübelte ich unentwegt darüber nach. Wenn ich mich auf meine eigene Erfahrung verließ oder mich objektiv umsah, konnte ich mich des sehr klaren Eindrucks nicht erwehren, daß die Dinge so etwas wie eine natürliche Neigung hatten, langsam zu verfallen, langsam im Chaos zu versinken. Und im Innersten meiner finstersten Gedanken fand ich, daß wir diesen Weg einschlugen, und das nicht nur, Was die Episode Hermann-Gladys betraf. Das war eher ein Gesamtbild, gegen das schwer anzukämpfen war.
    Davon abgesehen waren da die kleinen Scherereien des Alltags, die mich aufrüttelten, und obwohl wir von der Strömung eines breiten Flußes fortgetragen wurden, hörten wir nicht auf zu zappeln.
    Sarah faßte mich an der Hand, und wir gingen nach oben in Richards Zimmer. Die Tür war abgeschlossen, aber sie zog einen Schlüssel aus der Tasche und machte mich darauf aufmerksam, im ganzen Haus funktioniere kein einziges Schloß, er aber habe es geschafft, seines wieder in Ordnung zu bringen.
    - Guck dir das an …! meinte sie zu mir. Es kommt mir vor, als hätte ich einem Fremden ein Zimmer vermietet.
    - Mmm … Wehe, er merkt, daß du einen Schlüssel hast …
    - Na, ich werd ihm schon klarmachen, warum ich einen hab …
    Ich kannte Richards Zimmer. Es unterschied sich nicht wesentlich von Hermanns Bude, höchstens der Geruch war anders, nichts weiter als ein ganz normales Jungenzimmer, die persönliche Note war noch unterentwickelt. Sarah zog eine Schublade auf und entnahm ihr eine Schuhschachtel. Wir setzten uns auf das Bett.
    - Ich hab in meinem Leben schon angenehmere Dinge gefunden …. seufzte sie und hob den Deckel hoch.
    Das wollte ich ihr gern glauben. Es handelte sich um einen Stoß Fotos, auf denen Mat Bartholomi zu sehen war, allein oder mit seinen Kindern, und auf einigen Bildern war eine Person entfernt worden, fein säuberlich mit der Schere ausgeschnitten.
    - Dan, ich nehme an, ich brauche mich nicht zu wundern, nicht wahr …?
    Mir war, als starrten uns die Mauern an.
    - Vermutlich muß ich das mit vergnügtem Gesicht wegstecken und mir eintrichtern, daß ich nichts Besseres verdient habe …?! Nun ja, ich kann dir trotzdem sagen, da hat man schwer dran zu knabbern … Weißt du, ich hab schon noch das Gefühl, ich bin seine Mutter …
    Auch für Sarah wußte ich keine Lösung. Ich begnügte mich

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