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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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mit einer Hand durch die Haare fuhr. Also, wo war ihr Geheimnis, mit welchen Wunderwaffen war die Willenskraft einer Frau ausgestattet? Während Harold durch den Garten lief, erkannte ich bitterlich, daß Sarah nur die Beine übereinanderzuschlagen brauchte und die Sache war gegessen.
    Harold pfefferte seinen Koffer auf den Rücksitz und stieg über die Fahrertür des MG , wie es etliche bei einem Cabrio zu tun pflegen. Parallel dazu sank Bernie auf die Fersen, und indem er sich am Geländer festhielt, drückte er seine Stirn gegen eine der Stangen.
    - Harold … Ich kann nicht mehr brüllen … Bitte … Ich geh zu, ich war im Unrecht … Ich fleh dich an, vergiß, was ich gesagt hab … Harold, tu das nicht …
    - Verdammt, weshalb rappelt er sich nicht wieder auf …?! murmelte ich.
    - Hmm … Er steht kurz vor dem K.o. nehme ich an. Plötzlich heulte der Motor des MG auf, er zerriß die Nacht auf eine verächtliche und grausame Weise, geradezu sadistisch gegen Bernies Flehen. Bernie rappelte sich auf, kreidebleich und steif wie ein Stativ. Ich drückte Sarahs Arm.
    - WEISST DU, ES GIBT NICHT NUR DICH AUF DER WELT …!! rief Harold, ohne sich umzudrehen. MEIN LEBEN BEGINNT ERST …!!
    Im nächsten Moment, als wollte er dies umgehend illustrieren, brauste er davon.
    Bernie geriet ins Wanken. Er klammerte sich mit beiden Händen an das Geländer und senkte den Kopf.
    - So … Ich glaube, jetzt können wir das Handtuch werfen …. murmelte Sarah, die bereits den Rückzug antrat, ehe das Dröhnen des Motors verklungen war.
    Aber ich betrachtete Bernie, und ich konnte mich nicht dazu entschließen, ihr zu folgen. Ich winkte ihr zu, ich käme gleich nach, ich hatte den Eindruck, sie hatte nicht ganz kapiert, was geschehen war, oder es juckte sie nicht, schwer zu sagen.
    Ich schlüpfte durch die Hecke und setzte meinen Fuß in Bernies Garten. Er hatte sich immer noch nicht gerührt. Die Augen fest auf seine Füße gerichtet, bot er mir die Oberseite seines Schädels dar, die glatt und blank war wie eine Kristallkugel. Und ebenso zerbrechlich, wenn man mich fragt. Ich ging zu ihm. Ich fühlte mich beschissen, seinetwegen.
    Ich machte mir eine Zigarette an. Ich wußte nicht, ob er meine Anwesenheit wahrgenommen hatte. Ich inhalierte einen tiefen Zug, und ich blies ihn in die Stille, die wieder eingekehrt war, wollte ihm damit bedeuten, daß wir hier unten alle nur elende, im Winde wirbelnde Blätter sind und einem gemeinsamen Schicksal unterworfen. Bloß, machte ich mich recht verständlich …?
    Ich lehnte mich mit einer Hinterbacke auf das Geländer. Persönlich hätte ich am liebsten geschwiegen, aber wir waren noch nicht vertraut genug, um uns Worte zu ersparen, und ich suchte nach einigen, die meine Gedanken nicht verrieten, sofern das möglich war. Während ich auf die Erleuchtung wartete, betrachtete ich sein Profil, und ich sagte mir, daß ihm seine Kahlheit gut stand. Die wenigen Haare, die er noch hatte, waren kurz geschnitten, höchstens einen Zentimeter lang, ebenso sein leicht ergrauter Bart, der als Ersatz fungierte und demzufolge auch sein Gesicht nicht verunstaltete. In diesem Punkt hatte uns Sarah Gleichstand zugebilligt, denn wenn meine Stoppeln nur dunkel schimmerten, schien es doch, daß mein Gesicht markanter war. Obwohl sich darüber diskutieren ließ, sah ich für Hermann gut und gern ein, zwei Jährchen jünger aus. Ich beobachtete Bernie, ich beobachtete in aller Ruhe einen Typ im besten Mannesalter, und wenn man von diesem Schlag absah, der ihm ganz offensichtlich zusetzte, mußte man sagen, daß er noch gut in Schuß war, und in gewisser Weise war ich ihm dafür dankbar.
    Plötzlich richtete er sich auf und legte die Hände auf den Kopf. Er starrte geradeaus und biß sich auf die Lippen. Er atmete einige Male tief durch.
    - Sag nichts …. meinte er mit schwacher Stimme zu mir.
    - Überhaupt nichts …? unterstand ich mich und wedelte mir unauffällig mit meinem T-Shirt Luft zu.
    - Oh, Herrgott nochmal, dieser kleine Drecksack …! ächzte er.
    - Komm, Alter, denk nicht mehr dran …
    - Dieser kleine Drecksack … !!
    - Faß dich, Bernie … Sie ist zwar warm, diese Nacht, aber doch mild, es besteht kein Grund, den Kopf zu verlieren.
    - AAaahh …! meinte er und warf wie von Sinnen den Kopf zurück. AAaahh, ich hasse ihn, ich hasse ihn, ich hasse ihn …!!
    - Jaja … Was willst du, es gibt Tage, da haben wir nichts zu lachen, da sag ich dir nichts Neues … Manchmal muß man auch einstecken

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