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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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können.
    - Stell dir vor, fast hätte ich ihn geohrfeigt … Ah, warum habe ich mich nur zurückgehalten, warum halte ich mich immer noch zurück …?!!
    - Oh, naja, wahrscheinlich wegen dieser famosen Erfahrung, ich glaube, man ist sich über den Wert der Dinge eher im klaren. Man überlegt es sich zweimal, bevor man alles sausen läßt. Ich weiß, was das kostet …
    - Ach, Herrgott nochmal, Dan …! Er bricht mir jedesmal das Herz …!
    Er drehte sich um, und für einen Moment hatte ich Angst, er breche in Tränen aus. Seine Lippe zitterte ein wenig, und der Glanz seiner Augen ließ das Schlimmste befürchten, gleichwohl, es gelang ihm, sich zu beherrschen, er nahm die Hände von seinem Schädel und steckte sie in die Tasche.
    - Meine Güte … Ich bin am Boden zerstört …. sagte er und zog den Nacken zwischen die Schultern. Tut mir leid, daß ich dich da hineinziehe …
    Ich packte ihn an beiden Armen und schaute ihm ins Gesicht.
    - Hör zu, Bernie … Mir braucht niemand zu erzählen, daß das weh tut … Aber glaub mir, ich bin der lebende Beweis, daß das nur ‘ne miese Zeit ist, die vorübergeht, und ich hab keine Lust, dir was vorzulügen, weißt du, bei sowas mache ich keinen Spaß …
    Er versuchte vergebens, ein Lächeln aufzusetzen, fast so, als trampelte ich ihm auf den Füßen herum.
    - Ach, Dan … Es ist vollkommen idiotisch, aber ich spür meine Beine nicht mehr … Ich bin gelähmt …
    - Mmm … Bernie … Weißt du, als meine Frau mich verlassen hat, habe ich drei Tage lang kein Bein mehr auf die Erde bekommen …
    Allein bei dem Gedanken spannte sich die Haut auf meiner Stirn. Fast meinte ich, das Phantom meiner Wehklagen um den Garten streichen zu hören, und sogleich drückte ich Bernies Arme ein wenig fester, denn nichts ist so entsetzlich wie ein blutendes Herz, im Ernst, das war etwas, darüber konnte ich wahrhaftig nicht lachen.
    - Dan, hör mal …. stieß er hervor. Ich glaub, ich fall um, wenn ich mich nicht setze …!
    Ich sah nur zu gut, daß das kein Witz war. Ich spürte, daß er von einer Sekunde auf die andere zusammenbrechen konnte und daß keine Zeit mehr war, einen Stuhl zu holen. Er nahm die Hände aus der Tasche und tastete ins Leere, ob sich zufällig hinter seinem Rücken eine Sitzgelegenheit materialisiert hatte. Wäre ich nicht da gewesen, er wäre hingeflogen.
    - Hoppla, Bernie, wo willst du hin …? fragte ich ihn und fing ihn im letzten Moment auf. Ich hob ihn hoch und verpaßte der Tür, die sich halb geschlossen hatte, einen Tritt.
    - Ich kenne jemanden, der wäre jetzt besser in seinem Bett mit ‘ner Handvoll Schlaftabletten …. fügte ich in scherzhaftem Ton hinzu. Und er, indem er einen Arm um meinen Hals schlang: Dan, ich schäme mich, daß du mich in einem solchen Zustand erlebst … Und ich: Ich hoffe, das ist nicht dein Ernst … Und er: Plötzlich hatte ich so’ne Art schwarzes Loch …
    Immerhin, Bernie wog bestimmt seine siebzig Kilo. Mich ergriff eine sekundenkurze Unschlüssigkeit, bevor ich die Treppe in Angriff nahm, aber sein anderer Arm baumelte ins Leere, und ich schloß daraus, daß ihm die Kraft fehlte. Jetzt war nicht der rechte Moment, an mein Kreuz zu denken.
    - Na schön, halt dich fest, sagte ich zu ihm. Aber wehe, du legst den Kopf auf meine Schulter …
    Als ich zu Sarah zurückkam, sagte sie, sie wolle mir ein Aquarium schenken, der Typ, den sie im Restaurant habe sitzenlassen, habe eines zu Hause und das sei faszinierend und man könne stundenlang davorsitzen und zugucken, sie wisse selbst nicht, warum, aber sie habe plötzlich Lust, mir etwas zu schenken. Ich lächelte sie an.
    - Nun denn … Es ist in erster Linie der gute Wille, der zählt … Aber mach dir keine Kopfschmerzen, du bist und bleibst die erste in meinem Herzen, wenn’s dich beruhigt …
    - O Herr im Himmel …. seufzte sie. Was kannst du manchmal bekloppt sein …!
    - Ah, ah … Ich kenne dich, als hätte ich dich gemacht … Du weißt, es gibt einige Dinge, die kannst du dir bei mir nicht erlauben. Denk dran, vor mir bist du splitternackt …!
    In ihrer Wut zischte sie mein Glas hinunter, aber als sie es absetzte, fand sie ihr Lächeln wieder.
    - Scheiße, was sagt man dazu …?! Ich wollte ihm bloß ein Aquarium schenken …
    Ich schnippte mit dem Daumen den Korken von einer Cognacflasche, denn ich spürte noch Bernies Gewicht in den Armen, und ich hatte ihn mir lang genug angesehen, als er auf dem Bett lag und bäuchlings gegen eine unsichtbare Kraft ankämpfte

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