Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
aber sicher. So daß ich gar nicht richtig realisierte, daß ich meinen Job verloren hatte. Nichts um mich herum hatte sich geändert, nichts in meinem Leben war umgestoßen worden, es hatte nur einen simplen Anruf gegeben. Das war, als hätte mich eine Lanze durchbohrt, ohne ein lebenswichtiges Organ zu verletzen oder mich in meiner Bewegungsfreiheit zu stören. Ich nahm die Sache nicht auf die leichte Schulter, doch mein Schmerz war abstrakt, und ich hatte einfach nur ein wenig mehr Zeit.
    Zum Glück war gerade der letzte John Fante erschienen, und ich hatte noch zwei Gardners, einen Algren, einen Coover, zwei Updikes und einen Pynchon. Plus ein wenig Geld auf der Bank. Was mir da zustieß, war im Grunde dermaßen scheußlich, daß ich nicht sofort darüber nachdenken wollte. Ich wollte dieses Gefühl der Freiheit ausnutzen, das mich gleichzeitig beseelte, dieses Gefühl, einen neuen Geist zu haben, um nichts in der Welt hätte ich mir das verderben mögen. Ich war in der besten Verfassung, mich auf diese Bücher zu stürzen. Ich wußte, daß nichts die Gesellschaft mancher Schriftsteller aufwiegt, wenn es darum geht, neue Kräfte zu schöpfen, wußte, daß sie einem jederzeit eine freundliche Hand reichen.
    Bei dieser Gelegenheit stellte ich dann fest, daß meine Augen nachließen. Seien wir ehrlich, ich hatte immer noch stets Augen wie ein Luchs für alles, was sich zwischen fünfzig Zentimeter und unendlich bewegte, und der Augenarzt hatte mir geschworen, das sei ein Klacks, das habe doch nichts mit einer Sehbrille zu tun, meine sei einzig zum Lesen da. Um mich herum gab ein jeder seinen doofen Kommentar ab, außer Bernie, der sich diesem Problem schon vor einigen Jahren hatte stellen müssen. Nun denn, es war so, ob es mir nun gefiel oder nicht, und ich brauchte nicht zu hoffen, daß sich das mit der Zeit bessern würde.
    - Guck an, wie kurz das Leben ist …. meinte ich zu Gladys, als sie meine Gläser ausprobierte. Aber ich hatte das Gefühl, gegen den Wind zu spucken.
     
    Als es an der Zeit war, klemmte ich mich hinters Telefon und verschickte eine ganze Reihe von Briefen. Ich fragte sie, ob sie sich an mich erinnerten, nun ja, ob ihnen vielleicht der Name Paul Shelley etwas sage, kurz und gut, ich erklärte ihnen, daß ich für sie gearbeitet hätte, ich zählte ihnen sämtliche Details auf, ich nahm mein Herz in beide Hände und teilte ihnen mit, ich hätte viel Zeit.
    Ich war wirklich nicht eingebildet. Ich ließ durchblicken, daß sich der kleine Dan auch mit den hintersten Ecken der Schubladen zufriedengeben würde, und diese Übung machte Durst. Aber ich versagte mir jeden Tropfen Alkohol. Ich wollte bei klarstem Verstand sein, wenn diese Worte über meine Lippen kamen, und wenn meine Hand zitterte, während ich diese erbärmlichen Briefe schrieb, so nicht vor Trunkenheit, sondern vor ohnmächtiger und drolliger Wut auf den Hosenscheißer, der ich war.
    Ich spürte schon, daß ich nicht nur wegen Hermann so handelte. Das lag alles ziemlich weit zurück, irgend etwas war zu einem bestimmten Zeitpunkt in mir zerbrochen, ohne daß ich hätte sagen können, was genau – aber etwas war entschwunden, etwas war plötzlich in mir erloschen. Die Inspiration war nur die Spitze des Eisbergs, in Wirklichkeit hatte ich viel mehr verloren als das. Ich hatte lange nach den Gründen für diese Bestrafung gesucht, hatte mein Leben haarklein durchgekämmt und war schließlich zu der Einsicht gelangt, daß es keinen Grund gab, jedenfalls keinen, den ich zu begreifen vermochte, und daß der Himmel einem ohne Vorwarnung auf den Kopf fallen und einem mit der einen Hand nehmen konnte, was er mit der ändern gegeben hatte. Daß ich mich abrackerte, daß ich all diese Arschlöcher anflehte, das lag nicht nur daran, daß es Hermann gab. Das lag daran, daß mir meine Flügel nicht ausreichend nachgewachsen waren.
    Und mochte ich auch noch so leiden, wenn ich mich ihnen zu Füßen warf, ich brachte es nicht mehr fertig, den Scherereien des Alltags die Stirn zu bieten, zumindest nicht, solange es eine Chance gab, sie zu vermeiden. Ich hatte nur den Wunsch, weiterhin meine Rechnungen bezahlen zu können, mehr nicht, und ich war bereit, einige Erniedrigungen hinzunehmen, um ohne allzugroße Schäden soweit zu gelangen, ich war bereit, den Weg der Einfachheit zu gehen, denn wenn ich den Broterwerb auch als notwendiges Übel betrachtete, wollte ich ihm doch nicht mehr als das strikte Minimum widmen. Mich für einen neuen Job zu

Weitere Kostenlose Bücher