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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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hatte den Eindruck, daß die Preise mittlerweile ganz schön geklettert waren.
    Wenn sie sich zufällig trafen, ignorierte ihn Gladys völlig. Sarah war der Meinung, wir sollten uns nicht darum kümmern, und ich mußte zugeben, daß Hermann trotz allem nicht soweit war, den Geist aufzugeben. Was nicht hieß, daß er fröhlich dreinschaute oder alle zwei Minuten lachte, aber wie es aussah, steckte er den Schlag gut weg und nahm seine Strafe mit einer gewissen Härte hin. Irgendwie mußte ich ihm Bewunderung zollen.
    Natürlich ging sie nach Schulschluß nicht mehr mit ihm nach Hause, sie schritt mit einer kleinen Gruppe von Freundinnen voraus, und Richard beteuerte, sie habe sich noch kein einziges Mal umgesehen, und selbst er fand, daß sie ein wenig übertrieb.
    - Tja, ich weiß nicht, was für ein Spiel sie da treibt … Dan, ich sag dir, ich möchte nicht an Hermanns Stelle sein.
    - Ihr habt noch nichts erlebt. Ihr seid noch zu jung, um euch von der entsetzlichen Komplexität des Lebens einen Begriff zu machen. Das ist doch gar nichts, was er zur Zeit durchmacht! Auch du wirst bald merken, daß man sein Leben nicht mit einer Katze verbringen kann. Warte ab, bis dir ein Mädchen richtig ins Auge sticht, und du wirst verstehen, was ich dir sage …!
    - Naja, da steht mir gar nicht der Sinn nach …!
    - Sei unbesorgt … Das braucht er auch nicht …!
    Manchmal sah ich den beiden zu, wenn sie sich ohne eine Gladys, die ihnen Beine machte, vor dem Fernseher lümmelten. Ich sagte ihnen, sie sollten es mit dem Corona nicht zu bunt treiben, schließlich seien sie noch mitten im Wachstum, aber von Zeit zu Zeit drückte ich ein Auge zu, um sie nicht zu verscheuchen, denn ihre Gegenwart war mir wirklich angenehm, vor allem, wenn ich zu tun hatte und mich ein in vollem Flug aufgeschnappter Gesprächsfetzen aus meiner Drecksarbeit riß.
    Wenn Harold zur Tür hereinschneite, mußte ich als vierter Mann beim Pingpong herhalten, und dann war die Frage, wer mich nicht zum Partner bekam. Dabei gelang es mir mitunter, sie zu verblüffen und Bälle zu fangen, daß man sich fragte, wie. Harold war der beste, und meistens spielte ich an seiner Seite, damit das Kräfteverhältnis ausgeglichen war.
    - Dan …! meinte er zu mir, bevor das Spiel begann, Dan, ich verlaß mich auf dich! Wir müssen sie putzen, diese grünen Jungs …!
    Meistens kam er gerade von seinem Muskeltraining und strotzte vor Energie. Er spielte gut, aber er ging mir auf die Eier.
    Ich verschlug die leichtesten Bälle, um ihm eins auszuwischen, einfach, um ihn auf die Palme zu bringen.
    Anschließend, wenn Richard und Harold fort waren, war ich allein mit meinem Sonntagsromeo, und wir vermieden es, uns von Frauen zu erzählen. Obwohl uns das Schicksal hart zusetzte, war das kein Haus, in dem ständig über sie hergezogen wurde.
    Wir durchliefen nur eine Durststrecke, davon war ich so gut wie überzeugt, und Tag für Tag rechnete ich damit, endlich das Licht am Ende des Tunnels zu erblicken. Es regnete ziemlich viel. Wir erfuhren, daß in einigen Gebieten die Flüsse über die Ufer traten, und es wurde immer früher dunkel. Und dann eines Morgens eröffneten mir die Typen, die mich bezahlten, das Fest sei vorüber, ich dürfe mich an die letzte Episode meiner Serie machen, und ich solle nur ja nicht vergessen, den Kerl diesmal sterben zu lassen.
     
    Zunächst erzählte ich niemand davon. Eine ganze Weile wußte ich nicht zu sagen, welches Gefühl die Oberhand gewann, ob ich lachen oder weinen sollte. So sehr ich vor Vergnügen gluckste, diesen Firlefanz endlich hinter mir zu haben, so sehr packte mich bei dem Gedanken, meinen Scheck nicht mehr zu erhalten, die panische Angst. Eine stumme Freude ergriff mich, während meine Schenkel zitterten wie Espenlaub.
    Zwei, drei Tage später rief ich die Typen an und erklärte ihnen, sie sollten sehen, wie sie ohne mich klarkämen. Sie schnaubten vor Wut, wie ich es mir gewünscht hatte, und schworen, jetzt sei ich geliefert. Ich heulte vor Lachen, was eine Art Ächzen am anderen Ende zur Folge hatte. Ich legte auf und schnitt vor Schreck beinahe Fratzen.
    Insofern befand ich mich keineswegs in der Situation eines Typen, der aus einer Firma gefeuert wird. Ich brauchte keine Sachen zu packen, und ich stand auch nicht auf der Straße, um mir anzuhören, wie hinter mir die Türen zuschlugen. Niemand hatte mir eine Hand auf die Schulter gelegt, niemand hatte sich verpflichtet gefühlt, mir zu sagen, ich würde schon klarkommen,

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