Rueckkehr nach Abbeydale
erwiderte er leise. „Aber vielleicht ist es kein einfacher Kratzer, und deswegen würde ich ihn gern selbst verarzten.”
Entsetzt blickte sie ihn an.
„Du willst damit doch wohl nicht etwa sagen, daß ich Tollwut haben könnte, oder?” flüsterte sie in Panik.
„Tollwut?” Wieder runzelte er die Stirn. „Nein, das nicht … Wir führen allerdings Versuche mit anderen Tierkrankheiten durch, und wir dürfen kein Risiko eingehen. Du könntest etwas angefaßt haben, das infiziert ist, und es übertragen, indem du zum Beispiel eine offene Wunde berührst.”
Er ging zu seinem Schreibtisch, nahm den Hörer vom Telefon und schob ihr den Apparat hin.
„Sicher willst du mit deiner Mutter sprechen. Ich sollte sie warnen, daß du mindestens eine Woche hierbleiben mußt.”
„Eine Woche?” wiederholte Kate mit bebenden Lippen. „Aber das geht nicht. Cherry …”
Cherry ist bei ihren Großeltern bestens aufgehoben, sagte sie sich entschieden. Auf keinen Fall durfte sie in Gegenwart dieses Mannes die Fassung verlieren, der sie so kalt anblickte und der einmal ihr Geliebter gewesen war. Er war der Vater ihres Kindes.
Was für eine grausame Fügung des Schicksals hatte sie so wieder zusammengebracht? Als Kate daran dachte, wie schnell sie Silas wiedererkannt und wie sie körperlich auf seine Gegenwart reagiert hatte, erschauerte sie. Sie wollte nicht an das Gefühl des Verlusts erinnert werden, das sie überkommen hatte, als er in dem Range Rover an ihr vorbeigefahren war. Er würde nie ihr gehören, und er hatte nie ihr gehört. Er war mit einer anderen Frau verheiratet, mit der er Kinder hatte, und das hatte er ihr, Kate, damals bewußt verschwiegen. Er war ein Mann, für den sie nur Verachtung empfinden durfte.
„Sicher möchtest du auch mit deinem Mann reden”, fuhr Silas fort.
Einen Augenblick lang sah sie ihn starr an. „Ich habe keinen Mann”, erklärte sie schließlich hocherhobenen Hauptes.
4. KAPITEL
Kein Mann. Die Worte hallten förmlich in seinem Kopf wider, als Silas zuhörte, wie Kate mit ihrer Mutter telefonierte. Bemerkenswert ruhig erzählte sie ihr, was passiert war. Sie war immer eine sehr starke Frau gewesen, was ihr selbst wahrscheinlich gar nicht klar war. Trotzdem war sie ausgesprochen weiblich, und er hatte sie wahnsinnig geliebt.
Doch er war für sie nur eine willkommene Ablenkung gewesen. Daraus konnte er ihr im Grunde keinen Vorwurf machen, denn sie war damals noch so jung gewesen. Er hätte das erkennen müssen und hätte nicht versuchen dürfen, sie an sich zu binden.
Silas fragte sich, ob sie bei ihm geblieben wäre, wenn er sie nicht dazu gedrängt und nicht darauf bestanden hätte, daß sie sich verlobten.
Schließlich legte Kate auf. Jeden Moment würde sie sich zu ihm umdrehen und ihn ansehen. Daher setzte er eine undurchdringliche Miene auf. Sie hatte sich kaum verändert – wenn überhaupt, dann war sie jetzt noch hübscher als damals.
Ihre Mutter hatte ihr versprochen, dafür zu sorgen, daß Cherry sich keine Sorgen machte. Ihre Tochter war alt genug, um zu verstehen, warum sie, Kate, noch in Quarantäne bleiben mußte. Sie hatte nie den Fehler gemacht, sie zu unterschätzen oder herablassend mit ihr zu reden, denn Cherry war sehr intelligent.
Im nächsten Augenblick wurde die Tür geöffnet, und Sam kam wieder herein, allerdings mit leeren Händen. „Das sterile Zeug ist alle. Als ich es holen wollte, ist mir eingefallen, daß die neuen Vorräte in den Kartons sind, die du heute morgen abgeholt hast. Und die sind noch nicht ausgepackt.”
„Das macht nichts. Ich habe noch welche. Kate muß sowieso bei mir wohnen, denn woanders ist kein Platz.”
„Ich werde nicht bei dir wohnen”, erklärte Kate wütend, sobald Sam gegangen war.
„Du hast aber keine Wahl”, erwiderte Silas grimmig. „Und selbst wenn, wäre es dir lieber, mit ungefähr einem Dutzend Männer einen Schlafsaal und ein Bad zu teilen, statt ein eigenes Zimmer zu haben?”
Natürlich war es ihr nicht lieber, aber das durfte sie auf keinen Fall zugeben. Sie durfte nichts für Silas empfinden, denn er war ein verheirateter Mann, und sie hatte bereits ein uneheliches Kind von ihm.
Kate erschauerte. So formuliert, klang es brutal, doch das waren nun einmal die Fakten.
Schließlich riß sie sich zusammen und setzte eine unbeteiligte Miene auf. „Wie lange genau dauert die Quarantäne?” erkundigte sie sich kühl.
Was ist bloß mit dem fröhlichen Teenager von damals
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