Rueckkehr nach Abbeydale
verstand.
Gerade als Kate an ihren Vater dachte, betrat er die Küche. Offenbar kam er, um Silas zu begutachten, denn im Sommer hielt er sich zu dieser Tageszeit normalerweise im Moor auf. Sie war gerührt und amüsiert und gleichzeitig überrascht über ihre Reaktion. Früher, als Teenager, hatte sie sich nämlich genau hier in der Küche unzählige Male mit ihren Eltern gestritten, weil diese darauf bestanden hatten, die jungen Männer kennenzulernen, mit denen sie ausging.
„Es ist nett von Ihnen, daß Sie Kate zurückgebracht haben, Mr. Edwards”, begann ihre Mutter.
„Bitte sagen Sie Silas zu mir, Mrs. Seton. Und was das Nettsein betrifft …” Silas verzog zerknirscht das Gesicht. „In Anbetracht der Tatsache, daß wir Ihre Tochter einsperren mußten, weil unsere Arbeit es erforderte, war es wohl das mindeste, was ich tun konnte.”
„Na ja, nicht ganz.” Ihre Mutter lachte leise. „Schließlich war Annabel auch daran beteiligt.”
„Annabel? Ach ja, natürlich, die Ziege!”
„Ich habe bei Ihnen einige Schafe auf der Koppel gesehen. Sind es Merinoschafe?” erkundigte sich ihr Vater scharf.
Kate hielt unwillkürlich den Atem an, während sie auf Silas’ Antwort wartete. Da ihr Vater ein Fachmann war, was Schafzucht betraf, hatte er vermutlich sofort gesehen, daß die Tiere auf der Koppel anders waren als seine.
„Nicht ganz”, erwiderte Silas lässig. „Es ist eine neue Züchtung, die wir auf den Markt bringen möchten, aber sie befindet sich noch im Entwicklungsstadium.” Dann erklärte er ihrem Vater die technischen Einzelheiten und fügte hinzu, daß die Versuche an den Tieren die Quarantäne notwendig gemacht hatten.
Kate war hin und her gerissen. Einerseits freute es sie, daß der Mann, den sie liebte, sich so gut mit ihren Eltern verstand. Andererseits tat es ihr weh, zu wissen, daß niemand je erfahren würde, in welcher Beziehung er zu ihr und vor allem zu Cherry stand.
Als sie ihre Tochter ansah, stellte sie fest, daß diese am Tisch saß, den Kopf in die Hände gestützt, und Silas entzückt betrachtete.
„Haben Sie auch Hunde, die die Schafe bewachen?” fragte sie ihn schließlich ernst.
Kate schlug das Herz bis zum Hals, und sie betrachtete die beiden mit Tränen in den Augen, weil sie sich so ähnlich waren. Ihr war die Kehle wie zugeschnürt, als Silas genauso ernst antwortete: „Nein, leider nicht …”
„Ich könnte Ihnen Blackie leihen”, schlug Cherry vor. „Er ist mein Hund, und ich bilde ihn aus. Er ist noch klein, aber er er hat das Zeug dazu …”
Er blieb ernst, was Kate ihm hoch anrechnete.
„Wenn Sie wollen, zeige ich ihn Ihnen”, bot Cherry an.
Plötzlich war es ganz still in der Küche geworden. Da Kate die beiden wie gebannt betrachtet hatte, merkte sie erst jetzt, daß ihre Eltern sie beobachteten. Prompt errötete sie und fragte sich, ob sie sich irgendwie verraten hatte.
„Gern”, hörte sie Silas sagen. Dann stand Cherry auf und berichtete ihm davon, wie sie den Welpen ausbildete – auf die gleiche etwas altmodische Weise, wie sie es von ihrem Großvater aufgeschnappt hatte.
„Kommst du mit, Mum?” fragte sie.
Kate schüttelte den Kopf. Sie glaubte nicht, daß sie stark genug war, um Vater und Tochter zusammen zu beobachten, wenn die beiden sich ihres Verhältnisses zueinander auch nicht bewußt waren. Silas war so nett zu Cherry. Er schien instinktiv zu spüren, daß er sie nicht herablassend behandeln durfte, weil sie in einem Alter war, wo sie es sehr wohl bemerkte. Aber schließlich hatte er zwei Neffen und damit Erfahrung im Umgang mit Kindern.
Kate blickte ihnen nach, als sie über den Hof gingen. Cherry sah zu Silas auf und plapperte munter mit ihm.
„Weiß er über Cherry Bescheid?” erkundigte sich Kates Mutter leise hinter ihr.
Kate erstarrte und drehte sich entsetzt zu ihr um. „Woher … woher weißt du es?” brachte sie hervor, während sie von ihrer Mutter zu ihrem Vater schaute.
„Sie ist ihm sehr ähnlich”, erwiderte ihre Mutter leise. „Außerdem sind wir deine Eltern. Er scheint sehr nett zu sein”, fügte sie hinzu.
Kate hörte die Besorgnis in ihrer Stimme, die für alle Mütter so typisch war. „Ja, das ist er”, bestätigte sie leise. „Aber um deine Frage zu beantworten: Nein, er weiß es nicht, und ich kann es ihm nicht sagen. Um Cherrys willen.” Da sie ihren Eltern nie genau erzählt hatte, was damals passiert war, tat sie es jetzt. Dabei verschwieg sie ihnen auch nicht, wie sie Silas
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