Rueckkehr nach Abbeydale
doch gar nicht geschlafen haben”, erklärte Kate und setzte sich auf. Ihre Kopfschmerzen waren inzwischen weg, aber wie immer nach einer Migräne fühlte sie sich ziemlich erschöpft. „Wie geht es Cherry jetzt?”
„Keine Ahnung. Ich habe sie nicht gesehen”, erwiderte ihre Mutter. Auf Kates entsetzten Gesichtsausdruck hin fuhr sie beruhigend fort: „Nun gerate nicht gleich in Panik, Kate. Ich bin gerade erst nach Hause gekommen. Es ist erst halb sechs, und ich habe ihr gesagt, daß wir heute später essen. Sie ist sehr vernünftig und macht bestimmt keine Dummheiten.”
„Aber sie ist noch ein Kind, und ich bin ihre Mutter.” Kate warf die Bettdecke zurück. „Wo kann sie bloß sein?”
„Beruhige dich doch. Ich gehe erst einmal nach unten und sehe im Hof nach. Wahrscheinlich ist sie mit Blackie auf der Koppel, denn normalerweise trainiert sie um diese Zeit mit ihm.”
Obwohl sie vermutete, daß ihre Mutter recht hatte, zog Kate sich schnell an und folgte ihr nach unten. Und tatsächlich war Blackie nicht da.
„Ich schlage vor, daß du den Weg entlanggehst und nach ihr rufst”, meinte ihre Mutter. „Sie geht nie weit weg.”
Kate befolgte ihren Rat, weil sie nicht zugeben wollte, was für eine Angst sie hatte. Ständig standen irgendwelche schrecklichen Nachrichten von vermißten Kindern in den Zeitungen … Cherry mochte vernünftig sein, aber sie war erst zehn …
Kate rief ihren Namen, bis sie ganz heiser war. Sie war kurz davor, vollends in Panik zu geraten, als sie Cherry mit Blackie im Schlepptau über den Hügel auf sich zulaufen sah.
Völlig außer Atem und mit geröteten Wangen blieb Cherry schließlich vor ihr stehen. In ihren Augen lag ein schuldbewußter Ausdruck, doch Kate war so erleichtert, daß sie lediglich fragte: „Wo bist du bloß gewesen? Ich habe die ganze Zeit nach dir gerufen.”
„Ich hab’ Blackie ausgeführt”, erklärte Cherry, ohne sie dabei anzusehen.
Kate umfaßte ihren Arm und kehrte mit ihr zum Haus zurück. Beim Abendbrot wirkte Cherry ziemlich bedrückt, vermutlich weil sie noch immer böse auf ihren Großvater war, wie Kate annahm.
Dennoch war sie überrascht, als Cherry bereits um sieben verkündete, sie wäre müde. Kate ging mit ihr nach oben, um sie ins Bett zu bringen und sich zu vergewissern, daß tatsächlich alles in Ordnung war.
„Grandpa hätte Meg geholfen, wenn er gekonnt hätte. Da bin ich ganz sicher”, sagte sie, während sie sie zudeckte. „Aber er hätte Mr. Bensons Hund schließlich nicht einfach mitnehmen können, stimmt’s?”
Cherry wurde blaß, und es zuckte verräterisch um ihren Mund, als sie sich abwandte. Manchmal war sie so empfindlich! Kate seufzte schwer und strich ihr das Haar aus der Stirn. Sicher war es richtig gewesen, ihr die Wahrheit über Silas zu verschweigen. Für Cherry war es besser, ihren Vater nicht zu kennen, als ihn zu kennen und von ihm verletzt zu werden.
„Geht es ihr gut?” erkundigte sich ihre Mutter, als Kate wieder nach unten kam.
„Nicht so. Sie ist sehr aufgewühlt wegen des Hundes.” Sie schaute ihren Vater an, der eine finstere Miene aufgesetzt hatte – ein sicheres Zeichen dafür, daß er verlegen war und sich unbehaglich fühlte. „Gibt es denn nichts, was wir tun können, Dad? Sie sagt, daß das Tier mißhandelt wird.”
„Ich habe Sean angeboten, ihm Meg abzukaufen, aber er ist nicht darauf eingegangen.”
„Aber wenn sie mißhandelt wird, kann doch der Tierschutzverein …”
„Wir sind hier nicht in der Stadt”, unterbrach er sie schroff. „Hier oben bleibt es jedem selbst überlassen, wie er seine Tiere behandelt.”
Kate seufzte, denn ihr war klar, daß sie nichts mehr tun konnte. Die einzige Möglichkeit, die ihr blieb, war, mit dem Tierarzt zu reden. Vielleicht konnte er etwas unternehmen.
Keiner von ihnen bemerkte, wie Cherry leise die Hintertreppe hinunterkam und sich hinaus in den Hof stahl. Als Blackie sie sah, begann er zu jaulen, aber sie beruhigte ihn sofort.
Es war ein langer Weg zu dem leerstehenden Hof, auf dem sie Meg versteckt hatte. Die Hündin begrüßte sie wie Blackie mit Jaulen und sprang an ihr hoch, als Cherry sich hinkniete, um ihr das Futter zu geben, das sie ihr mitgebracht hatte.
Sie traute sich allerdings nicht, lange zu bleiben, und es versetzte ihr einen Stich, als sie hörte, wie Meg ihr hinterherwinselte.
„Sie ist weg, und ich kann sie nirgends finden”, hörte Kate ihren Vater schimpfen.
„Was ist weg?” fragte sie, als
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