Rueckkehr nach Connemara
blickte er in den Rückspiegel und sah Mrs. O'Grady, die immer noch gestikulierte. In seinen Augen blitzte es gefährlich auf. Die Frau wies auf die zerklüfteten Felsen am nördlichen Ende der Bucht, wo sein Adoptivvater ausgerutscht und in die tobende See gestürzt war.
Obwohl es ein Unfall gewesen war, hatte man Lorcan als Mörder seines Vaters gebrandmarkt. Aber egal, was die Leute glaubten, er war völlig unschuldig an dem tragischen Ereignis.
"Ja, das habe ich nicht vergessen. Wie könnte ich es auch?
Die Frau hat kein Herz", sagte er mit finsterer Miene leise vor sich hin und gab plötzlich so heftig Gas, dass er selbst erschrak.
Die Übelkeit wurde schlimmer. Er runzelte die Stirn.
Wahrscheinlich machte sich der Jetlag bemerkbar. Es ging ihm wirklich schlecht. Sein ganzer Körper schien sich gegen die Anstrengungen aufzulehnen, die er ihm und sich zugemutet hatte.
Nachdem er sowieso schon wochenlang zu wenig geschlafen hatte, war er von Afrika zurück in die USA geflogen und hatte achtzehn Stunden pausenlos mit seinen Kollegen und
Mitarbeitern konferiert. Anschließend war er von Boston über den Atlantik nach Dublin geflogen. Von dort war er geradewegs quer durch Irland nach Connemara an die Küste gefahren.
Deshalb war es kein Wunder, dass er sich so elend fühlte.
Die Sache war es ihm jedoch wert. Sobald meine Pläne Gestalt annehmen, werde ich dafür sorgen, dass die
Feindseligkeiten aufhören und mir niemand mehr etwas anhängt, schwor er sich mit finsterer Miene.
Angespannt bog er in die Einfahrt zum Herrenhaus ein und fuhr so langsam darauf zu, dass man das Motorengeräusch kaum hörte. Er hatte vor, seine Mutter zu überraschen. Sie sollte ganz spontan reagieren und sich nicht erst noch an die zahlreichen Lügen erinnern können, die Harry ihr in den vergangenen Jahren über ihn erzählt hatte.
Als er das Haus erblickte, das er so sehr liebte, breitete sich Ärger in ihm aus. Irgendetwas stimmte hier nicht. Es musste dringend renoviert werden. Die Fassade blätterte ab, und mehrere Fensterläden hingen schief in den Angeln. Dann entdeckte er noch, dass eine Dachrinne befestigt werden musste und ein Schornstein eingestürzt war. Doch trotz allem sah das Haus noch großartig aus.
"Typisch Harry, alles so herunterkommen zu lassen", sagte Lorcan gereizt vor sich hin.
Er presste die Lippen zusammen, stellte den Wagen ab und ging zur Haustür. Sie ließ sich ohne weiteres öffnen, doch sogleich fiel ihm ein, dass man in diesem Teil Irlands die Türen nie abschloss.
"Mutter!" rief er in der Eingangshalle. "Mutter!"
Niemand antwortete, alles blieb still. Er ging von Zimmer zu Zimmer und stellte alarmiert fest, dass einige wertvolle Gegenstände verschwunden waren. Wie lange war Harry krank gewesen? Warum gab es kein einziges Anzeichen dafür, dass seine Mutter noch in dem Haus wohnte? Und wer hatte die Wertgegenstände beseitigt? Einbrecher vielleicht? Seine Gedanken überschlugen sich.
Ohne die Räume der Hausangestellten zu prüfen, eilte er die Treppe hinauf ins Schlafzimmer seiner Mutter.
Nichts war mehr da. Ihre persönlichen Sachen waren weg.
Mit einem Blick auf das unberührte Bett wurde ihm klar, dass er die Tatsachen akzeptieren musste. Seine Mutter lebte vielleicht nicht mehr.
Schockiert und beinah am Ende seiner körperlichen Kraft, schwankte er und stieß an einen der großen Fensterläden. Und dann stand er ganz still da.
Wie betäubt dachte er an die Frau, die seine Mutter geworden war. Sie hatte ihm ein Zuhause gegeben und ihn geliebt, obwohl Harry sich sehr angestrengt hatte, sie auseinander zu bringen.
Nie wäre Lorcan auf die Idee gekommen, seine Mutter sei vielleicht nicht mehr am Leben.
Als er sich ihre letzten Stunden ausmalte, wurden seine Augen feucht. Frustriert und schmerzerfüllt hielt Lorcan sich an dem Fensterladen fest. Er hätte bei seiner Mutter sein müssen, auch wenn Harry ihm verboten hatte, das Haus zu betreten.
Warum hatte er sich nur daran gehalten? Da er sich vor nichts und niemandem fürchtete, hätte er sich seiner Mutter zuliebe über Harrys Verbot hinwegsetzen müssen.
Plötzlich durchdrang ihn eine Welle grenzenloser Müdigkeit.
Er war jetzt so erschöpft, dass er nicht mehr klar denken konnte. Wenn er sich nicht bald hinlegte, schlief er noch im Stehen ein.
Als er den Kopf hob, nahm er draußen im Garten undeutlich eine Bewegung wahr. Er hob die Hand und rieb sich die feuchten Augen, damit er erkennen konnte, um wen es sich handelte. Lief
Weitere Kostenlose Bücher