Rueckkehr nach Glenmara
folgenden Nachmittag, als die Spitzenklöpplerinnen wieder an den Bordüren und Einsätzen für die Wäsche zu arbeiten begannen, die sie auf dem Markt verkaufen wollten, machte Aileen dort weiter, wo sie am Vortag aufgehört hatte: Sie suchte krampfhaft nach jemandem, an dem sie ihre Frustrationen auslassen konnte, und entschied sich, wie so oft, für ihre Schwester. Regen prasselte gegen die Fenster wie ein Echo ihrer scharfen Bemerkungen. Im Kamin knisterte der Torf, während sich draußen Nebel herabsenkten. Es hätte ein gemütliches Treffen sein können, wäre da nicht die durch Aileen verursachte Spannung gewesen.
Aileen zog, etwas von Hitzewallungen murmelnd, ihren Pullover aus, und Oona fächelte sich mit einem Blatt Papier Luft zu, während auf dem Herd der Teekessel pfiff.
»Heute ist es hier drin wie in der Sauna«, bemerkte Aileen.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Bernie. »Ich mach mal ein Fenster auf.«
»Am besten auf der Südseite, damit’s den Regen nicht reinbläst«, sagte Colleen. »Was für ein Wind.«
Die Regenmäntel und Gummistiefel standen an der Tür:
Aileens waren olivgrün wie Kampfkleidung; Moiras, früher Aileens, abgewetzt braun; Oonas rot getupft; Colleens marineblau. Alle auf einem Handtuch, damit der Boden nicht nass wurde.
Bernie schenkte Orange Pekoe ein.
»Du musst uns nicht bedienen, Bee«, sagte Aileen. »Das können wir selber machen.«
»Ach, du kennst mich doch: Ich spiele gern die gute Gastgeberin.«
»Und die bist du auch«, meinte Oona.
Kate versuchte, den Tee mit ein wenig Blasen zu kühlen, nippte zu hastig daran und verbrannte sich die Zunge. Sie setzte die Tasse ab und wandte sich ihrer Spitzenarbeit zu. Es gab noch so vieles zu lernen.
Aileen entrollte mit einer ungeduldigen Handbewegung Faden. »Wie läuft’s zu Hause?«, fragte sie Moira.
Niemand hatte sich zu dem blauen Fleck auf Moiras Wange geäußert, weil alle wussten, dass man solche Probleme nicht frontal angehen konnte. Einzig und allein Moira stand es zu, sich über ihre Beziehung zu beklagen. Und wenn sie es tat, musste man sehr vorsichtig sein, damit sie sich nicht wieder in ihr Schneckenhaus verkroch.
»Wunderbar«, antwortete Moira ein wenig zu schnell.
»Hat Cillian schon einen Job gefunden?« Obwohl Aileen wusste, dass sie das Thema nicht anschneiden sollte, konnte sie es sich nicht verkneifen. Sie hatte zwei ältere Brüder; der eine führte ein beliebtes irisches Pub in Boston, das Wolfe & Whistle, der andere war ein angesehener Anwalt in Dublin, zum zweiten Mal verheiratet, für den das Leben in seinem Heimatdorf der fernen Vergangenheit angehörte.
Und dann gab es noch eine Schwester, die sich in London ihr Geld damit verdiente, das Chaos in anderer Leute Haushalt zu strukturieren. Moira war das Nesthäkchen, Aileen schon im Teenageralter, als sie auf die Welt kam. Sie hatte sich um sie gekümmert wie um ihr eigenes Kind, weil ihre Mutter sich an einen dunklen Ort verkroch. Noch heute fiel es Aileen schwer, sich gegen diese Gewohnheit des Beschützens und Kontrollierens zu wehren.
»Nicht seit du dich das letzte Mal erkundigt hast«, antwortete Moira in schärferem Tonfall, wie so oft, wenn jemand, meist Aileen, sich zu intensiv nach ihrer häuslichen Situation erkundigte. »Er sucht noch«, fügte sie etwas sanfter hinzu. »Er hat einen schlimmen Rücken und kann nicht mehr so arbeiten wie früher.«
»Hat er das je gemacht?«, murmelte Aileen.
»Was sagst du?« Moira war erst zweiunddreißig, aber die Sorgen hatten bereits Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen, tiefe Falten auf der Stirn und graue Strähnen in den Haaren.
»Furchtbar, dieser Sturz«, mischte sich Bernie ein, wie immer auf Ausgleich bedacht. Sie hatte nie Geschwister gehabt und kannte deshalb die damit verbundenen Eifersüchteleien, Reibereien und Ressentiments nicht. »Hat seinem Rücken nicht gutgetan.«
Hinter Moira formte Aileen mit den Lippen den Satz: »Falls er je ein Rückgrat hatte.«
Bernie schüttelte den Kopf.
Kate ging der Schlagabtausch zu schnell. Grundsätzlich fühlte sie sich wohl in dem Kreis, nur Aileen machte ihr Probleme; sie war mit Vorsicht zu genießen.
Immerhin wurde sie an jenem Abend nicht selbst Ziel von Aileens Angriffen.
Bei solchen Treffen kam die Sprache oft auf Moiras Mann, besonders in Moiras Abwesenheit. Die Frauen fanden, dass er zu viel trank und zu wenig arbeitete. Die schwangere Moira und er hatten zwölf Jahre zuvor geheiratet, anschließend waren im Abstand
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