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Rueckkehr nach Glenmara

Titel: Rueckkehr nach Glenmara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri Sonja Hauser
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Hühner, sondern auch Akkordeonmusik. Sicherheitshalber schaute sie noch einmal im Stall nach. Ihr Mann Padraig saß mit der Irish Times am Kamin. Auf den Regalen glänzten Gläser mit dem Honig vom letzten Jahr. Gälisches Gold , nannte er ihn. Er verbrachte jede freie Minute bei seinen Bienen. Der Gedanke daran machte sie stolz und stimmte sie gleichzeitig traurig. Früher, vor den Kindern, waren sie verrückt nacheinander gewesen. Manchmal erkannte sie noch den jungen Mann in ihm, in seinem trotz der beginnenden Arthritis schlaksigen Gang, seinem kantigen Kinn, seinen widerspenstigen, mittlerweile ergrauten Haaren, seiner tiefen, sanften Stimme, die sie so sehr liebte. Diese Liebe vergaß man im Alltag leicht.
    Sie rief nicht »Hallo!« wie sonst, wenn sie das Haus betrat, um ihm zu signalisieren, dass heute etwas anders war.
    Er hob den Blick und sah sie mit seinen immer noch strahlend blauen Augen über den Rand seiner Zeitung hinweg an, deren Schlagzeilen von einem Ölteppich in der Nordsee, einem Protestmarsch in Belfast, Bombenangriffen im Nahen Osten und anderen Kämpfen kündeten.
    Jetzt nur nicht den Mut verlieren, dachte sie.
    Was kann denn Schlimmes passieren? , hatte Colleen sie gefragt.
    Oona hatte ihr keine Antwort gegeben, aber gedacht: Dass er sich mir verschließt, wie ich mich vor ihm verschlossen habe. Dass er meine Hand nicht ergreift, wenn ich sie ihm reiche.

    Ihre Kleidung lag in der Segeltuchtasche, die sie immer zum Markt mitnahm. Unter dem Mantel trug sie nur ihre neue Unterwäsche, sonst nichts. Sie zitterte, weniger vor Kälte als vor Angst. So etwas hatte sie seit dem Nacktbaden in der Bucht damals als Mädchen nicht mehr gemacht, als Jugend und Schönheit auf ihrer Seite gewesen waren und sie ihre Brüste noch gehabt hatte, vor Padraig. Ihn hatte sie kurze Zeit später beim Tanzen kennengelernt, mit sechzehn. Der Blick aus seinen tiefblauen Augen hatte alles verändert.
    Bereits in den Flitterwochen war sie mit ihrer ältesten Tochter schwanger geworden, die nun mit drei eigenen Kindern in Galway lebte. Insgesamt hatten Padraig und sie sechs – inzwischen erwachsene – Kinder gehabt. Padraig war oft zum Fischen draußen auf dem Meer gewesen. Jetzt wurde das Geld allmählich so knapp, dass er möglicherweise wie Colleens Mann Finn, um den Colleen sich große Sorgen machte, wieder hinausfahren müsste.
    Oona hatte Jahre damit zugebracht, zum heiligen Christophorus um Padraigs sichere Rückkehr zu beten und mit einer Thermoskanne voll Kaffee und einer Dose mit Keksen am Kieselstrand auf die Rückkehr seines Boots zu warten. Heute wollte sie das nicht mehr; sie wollte nicht mehr Gefahr laufen, ihn zu verlieren.
    Er sah sie fragend und ein wenig besorgt an. Meinte er, sie sei beim Arzt gewesen? Er hatte sie bei allem begleitet, bei der Operation und der Chemotherapie, und ihre Hand gehalten, mit dem gleichen ruhigen Gesichtsausdruck, mit dem er den Horizont beobachtete, um festzustellen, wie das Wetter werden würde.

    Ein Tropfen Honig glänzte auf seiner Lippe. Er leckte gern den Löffel ab, nachdem er ein wenig in den Tee gegeben hatte.
    Wortlos durchquerte sie den Raum, in dem sie so viele Stunden ihres Lebens verbracht hatten, zuerst mit den Kindern, dann zu zweit, diesen Raum mit ihren Besitztümern, dem Flickenteppich, dem Messingkaminbesteck, den gerahmten Fotos auf der Truhe, an der ihr jüngster Sohn Paul sich einmal bei einem Sturz eine Platzwunde an der Stirn zugezogen hatte, die im Krankenhaus genäht werden musste, dem Stapel von Geschichtsbüchern und Romanen, den Tischen und Lampen und Kerzenleuchtern voll erstarrtem Wachs.
    »Was ist los?«, fragte er mit leiser Stimme.
    Sie tupfte den Honigtropfen mit dem Finger von seiner Lippe und leckte ihn ab. »Das«, antwortete sie, nahm ihm die Zeitung aus der Hand, faltete sie ordentlich, legte sie weg und öffnete ihren Mantel. »Und das.«
    Nun stand sie vor ihm in der Spitzenunterwäsche, die so golden glänzte wie sein Honig, wie damals, als sie sich das erste Mal für ihn entkleidet hatte.
    »Endlich.« Er zog sie näher zu sich heran und drückte sein Gesicht an ihre Brust. »Liebes.«

BILD VIERZEHN
    Sullivan Deane
    B ernie lag seit fünf Uhr morgens wach und dachte nach. Sie musste sich etwas einfallen lassen, um Kate in Glenmara zu halten. Die Spitze war ein Anfang, ein Faden, der sie an die Dorfgemeinschaft band, doch den konnte sie jeden Augenblick durchtrennen. Hielt sie sich wirklich erst ein paar Tage im Ort auf?

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