Rueckkehr nach Glenmara
sich zurück. »Mein Busen ist nicht so interessant.«
»So ein Quatsch«, sagte Aileen.
»Meine imaginären Brüste«, seufzte Oona. »Padraig mag sie nicht mehr anfassen, wisst ihr?«
»Wirklich?«, fragte Bernie.
»Was soll das heißen: Wirklich? Ich lebe schließlich mit ihm zusammen, seit fast vierzig Jahren.«
»Sie meint: Liegt’s daran, dass du ihn nicht ranlassen willst?«, hakte Colleen nach.
»Ist das hier die Großinquisition? Merkt ihr denn nicht, dass ich im Moment nicht drüber reden möchte?«
»Wann dann?«, beharrte Colleen. »Ich finde, es wird allmählich Zeit.«
»Du hast keine Ahnung. Und ihr andern auch nicht.« Oona verkroch sich in ihren Sessel wie ein in die Enge getriebenes Tier.
»Unsere Schwester hatte das gleiche Problem«, bemerkte Aileen. »Ob das die Spätfolgen der Ölpest damals sind?«
»Wer weiß?«, meinte Colleen. »Eindeutige Antworten gibt es nicht auf solche Fragen. So etwas kommt aus heiterem Himmel.«
»Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung?«, erkundigte sich Moira.
»Scheint so«, antwortete Oona.
»Kann ich irgendwie helfen?«, fragte Kate.
Oona schwieg.
Kate, die spürte, wie heikel das Thema war, drang nicht weiter in sie. »Willst du es ihr nicht erzählen?« Colleen berührte Oonas Arm.
»Muss ich das wirklich? Eine öffentliche Erklärung über meine Krankheit? Manchmal könnte ich dich ohrfeigen, Colleen McGreevy.«
»Dazu sind Freunde da, meine Liebe.«
»Entschuldigung. Normalerweise versuche ich, positiv zu denken und meine Probleme für mich zu behalten.« Sie wandte sich Kate zu. »Aber jetzt bleibt mir anscheinend nichts anderes übrig, als alles zu erzählen.«
»Sie müssen nicht, wenn Sie nicht wollen«, sagte Kate.
»Doch, doch. Mir graut nur davor«, gestand Oona.
Die Frauen fragten sich, ob sie das Richtige getan hatten, sie zu drängen.
»Wahrscheinlich haben Sie’s sowieso schon erraten. Über manche Dinge reden wir zu viel und über andere zu wenig,
so ist das nun mal bei Frauen. Besonders bei mir.« Sie holte tief Luft. »Ich hatte Krebs; man hat mir die Brüste abgenommen. Deswegen brauche ich nur Schlüpfer. Bei mir gibt’s nichts mehr zu stützen. Ich bin flach wie das australische Outback.«
Colleen drückte ihre Hand.
»Zeigen Sie mir Ihre Unterwäsche«, forderte Kate sie mit sanfter Stimme auf. Sie musste an ihre Mutter denken, daran, wie schmal und kindlich ihr Körper am Ende gewesen war. Kate hatte nichts anderes mehr tun können, als ihre Hand zu halten. Bei Oona war mehr möglich. »Wir werden es schaffen, dass Sie sich wieder attraktiv fühlen«, versprach sie.
Oona holte wortlos einen Büstenhalter aus der Tasche und reichte ihn Kate.
»Kein Wunder, dass Sie das hässliche Ding nicht tragen wollen.« Kate hielt den BH in die Höhe.
»Schrecklich, nicht?«, seufzte Oona mit einem traurigen Lächeln.
»Die Verkäuferin hätte Sie wirklich besser beraten können«, sagte Kate kopfschüttelnd.
»Vielleicht hätte sie das getan, wenn ich länger geblieben wäre, aber ich wollte so schnell wie möglich aus dem Laden raus«, gestand Oona. »Ich hatte gedacht, nichts wäre schlimmer als der Gang ins Perückengeschäft. Irrtum. Die Perücke hab ich immerhin nur kurze Zeit gebraucht, weil meine Haare nach einer Weile wieder nachgewachsen sind. Doch neue Brüste kann ich mir nicht wachsen lassen. Jedenfalls keine echten.«
»Padraig liebt dich, das sieht jeder«, sagte Bernie.
»Ich hab Angst, ihn zu erschrecken.« Oona stellte sich vor den Spiegel und zeichnete die Narben an ihrem flachen Oberkörper nach. Padraig hatte ihre Brüste geliebt und sie »die Alpen« genannt, ihrer Größe und Majestät wegen, sogar noch nach den Kindern und dem Stillen. Erst jetzt merkte sie, dass sie darum trauerte und ihren Verlust bisher verdrängt oder sich darüber geärgert hatte. Sie war noch nicht so weit, die Situation zu akzeptieren, und wusste auch nicht, wann ihr das gelingen würde. Natürlich gab es Schlimmeres im Leben, viel Schlimmeres. Aber …
Sie hatte sich in Dublin operieren lassen, von David Corcoran, einem Arzt, den ihr Sohn kannte, dem Besten seines Fachs. Doch die Narben blieben ihr. An manchen Tagen verglich Oona sie mit den großen Strömen der Welt, dem Yangtse, der Donau, dem Nil. An anderen sah sie darin die weisen Antlitze alter Frauen, zu denen sie in nicht allzu ferner Zukunft auch gehören würde. Über diese Ängste sprach sie mit niemandem, weil sie fürchtete, dass man sie deswegen zum
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