Rückkehr nach Kenlyn
Wände, während Monaros Schritte im Gang vor der Zelle verhallten. Irgendwo fiel eine schwere Tür ins Schloss.
27. Im Schoß der Prophetin
»Vergebung ist wichtiger als Vergeltung.«
– Die Heilige Prophetin Shiama Xal-Nama
»Du scheinst einsame Sha Yang wirklich anzuziehen wie ein Magnet«, sagte Endriel amüsiert, und schnippelte weiter an Kais Loden herum. Die Fisch-und-Seestern-Fliesen des Badezimmers waren mittlerweile mit dunkelblonden Haarbüscheln übersät.
»Sie scheinen mich irgendwie zu mögen.« Kai lachte und Endriel legte ihre freie Hand auf seinem Kopf. »Halt still, wenn du deine Ohren behalten willst!«
Er neigte brav das Haupt, während sie weiter die Schere schwang und dabei seinen Blütenseifenduft aufsaugte. Nach Bad und Rasur sah er wieder aus wie der Junge, in den sie sich verliebt hatte. Genau wie bei ihrer zweiten Begegnung, als er auf ihrem Schiff Schutz gesucht hatte, hatte sie ihn mit neuen Sachen aus ihrer Kleidertruhe versorgt: eine ausgebeulte Hose mit den angenähten Taschen an den Oberschenkeln und ein formloses, graues Hemd, das beiderlei Geschlechter tragen konnten. Miko hatte frische Unterwäsche beigesteuert.
»Ich frage mich ernsthaft, wie du es mit ihr ausgehalten hast«, sagte Endriel ernst.
»Es war nicht immer leicht«, gestand Kai.
Sie berührte sein Kinn, um seinen Kopf zur Seite zu drehen, und ihre Finger schienen zu kribbeln wie unter elektrischer Spannung. Sie kürzte ihm die Haare an den Schläfen – vorsichtig. Seit ihrer Zeit mit Sefiron hatte sie keinem Mann mehr die Haare geschnitten.
»Es hat eine Zeitlang gedauert, bis sie akzeptiert hat, dass ich keine Wahnvorstellung bin und sie nicht durchgedreht ist. Aber ich war dankbar für die Gesellschaft. Und außerdem ... tut sie mir leid.«
Endriel betrachtete seine Reflektion im Spiegel; sie sah den gedankenverlorenen Blick in den grünen Augen und wusste, dass er das nicht einfach so dahin gesagt hatte. Sie wünschte sich nur, sie könnte die gleiche Sympathie für die Sha Yang aufbringen.
Wieder musste sie an das Gespräch zwischen Kai und Ahi Laan denken, das sie vorhin mit angehört hatte, als er der Sha Yang ihren neuen Schlafplatz im Unteren Deck gezeigt hatte, zwischen Werkzeug, Wasserfässern und den Kistenstapeln, die von der Fracht der Hand der Freundschaft übrig geblieben waren – das Verbandsmaterial und die Nahrung waren zu wertvoll, um sie über Bord zu werfen, und weitere Peilsender oder andere Apparate hatten sie nicht gefunden. Endriel war im Mitteldeck neben der Wendeltreppe stehen geblieben und hatte den beiden gelauscht.
» Wie sie mich anstarren. Als wäre ich ein Tier in einem Zoo! «
»Sie hatten eben noch nicht viele Gelegenheiten, sich einen Sha Yang genauer anzusehen«, hörte sie Kai sagen. Stofflagen wurden ausgeschüttelt; die Decken für das Nachtlager ihrer neuen Passagierin.
» Sie sind Primitive. Sie haben alles über uns vergessen. «
»Sie sind meine Freunde, Ahi Laan!« Endriel wusste nicht, wann sie Kai jemals so wütend erlebt hatte. »Ich bin genauso ›primitiv‹ wie sie!«
» Nein. Du bist anders, Kai Novus. Du verstehst uns. «
»Manchmal bin ich mir da gar nicht so sicher.« Sie hatte gehört, wie er die Decken zu Boden warf. »Endriel hat Recht: Niemand zwingt dich, mit uns zu kommen!«
Scheppernde Schritte hatten sich ihr genähert, und als Kai kurz darauf aufgetaucht war, hatte sie getan, als habe sie nichts gehört. »Zeit für eine Rasur«, hatte sie gesagt und an seinem Bart gezupft.
»Sie hat eine Menge durchgemacht«, sagte Kai nun.
»Hör auf, dich für sie zu entschuldigen«, tadelte sie ihn. »Sie ist über neunhundert Jahre alt – sie sollte allmählich wissen, wie man sich benimmt.«
»Genau genommen ist sie keine zwanzig – ich meine, biologisch. Für Sha Yang-Verhältnisse ist sie fast noch ein Kind. Wenn auch ein ziemlich brillantes Kind.« Kai zuckte mit den Achseln und Stoppeln fielen von dem haarigen Handtuch um seine Schultern. »Sie ist in dem Glauben groß geworden, zu einer überlegenen Spezies zu gehören. Besser zu sein als andere Völker.«
»Wenn alle Sha Yang so sind wie sie, kann ich den Kult allmählich verstehen.«
Sie sah sein nachdenkliches Gesicht im Spiegel. »Es gibt schon einen Grund, warum sie sich nach dem Exodus vor der Welt versteckt haben.«
»Sie hatten Angst«, sagte Endriel. Es war keine Frage.
Er nickte ernst. »Angst, dass man ihnen die Schuld für den Untergang des Saphirsterns gibt.«
»Und
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