Rückkehr nach Kenlyn
verstrich und sie Gehorsam übten, alles wieder wie vorher sein würde. Eine geordnete Welt, mit ihnen an der Spitze.
Aber es musste andere Zweifler geben. Kaleen schien etwas zu ahnen; sie schien zu wissen, dass der Orden in größerer Gefahr schwebte als je zuvor. Vielleicht hatte sie sich noch nicht korrumpieren lassen. Vielleicht konnte er sie überzeugen. Vielleicht konnte sie ihm wirklich helfen.
Sich nähernde Schritte zogen Telios aus seinen Gedanken, gerade, als er das Foyer der Residenz erreicht hatte.
»Admiral.« Eine dünne Frau unbestimmten Alters mit knochigem Gesicht stand auf den schwarzweißen Fliesen und salutierte knapp. Sie trug die Rangabzeichen eines Leutnants. Erst, als er in ihre eisgrauen Augen sah, erkannte Telios sie. Sein eigener Pulsschlag begann, in seinen Ohren zu dröhnen.
Ihr habt euch Zeit gelassen , sagte eine zynische Stimme in seinem Inneren.
»Leutnant Nelis Araan, Sonderausschuss Nummer Neunzehn.« Sie zeigte unnötigerweise ein Abzeichen mit dem Siegel des Gouverneurs.
Weitere Ordensmitglieder begleiteten sie: ein ungewöhnlich muskulöser Draxyll und eine braunfellige Skria. Beide trugen Rüstungen und Sonnenaugen in den behandschuhten Händen. Mitglieder von Syl Ra Vans Leibgarde.
Sie haben nur darauf gewartet, bis du von deinem Schiff runter bist. Lauf! Lauf, so lange du noch kannst!
Telios kämpfte mit aller Macht gegen den Impuls zu fliehen an. »Was kann ich für Sie tun, Leutnant?«, fragte er, verblüfft über die Ruhe, die in seiner Stimme lag. Lauf weg, du Narr!
Araan versuchte, keine Miene zu verziehen, doch sie konnte ein nervöses Blinzeln nicht verhindern. »Ich muss Sie bitten, mit uns zu kommen, Admiral.«
»Aus welchem Grund?« Sein Hemd schien unter der Uniform plötzlich an ihm zu kleben. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er die Zukunft deutlich vor seinem inneren Auge aufblitzen: Kriegsgericht und Haft bis zum Rest seines Lebens.
Oder Schlimmeres.
Araan schien nicht glücklich, als sie die nächsten Worte aussprach: »Admiral Andar Telios, auf Geheiß Seiner Exzellenz, Gouverneur Syl Ra Van stehen Sie hiermit unter Arrest.«
Telios wurde schwindelig, und er fragte sich, warum: Diese Szene lief genauso ab, wie er es sich nach seinem letzten Gespräch mit Syl Ra Van immer wieder vorgestellt hatte.
Sein Mund war trocken wie Sand; seine Zunge schien auf die dreifache Größe geschwollen und sein Herz donnerte wie der Schlag einer Kesselpauke – konnten sie es nicht hören? »Wie lautet die Anklage?«
»Hochverrat gegen den Gouverneur und den Orden der Friedenswächter.«
Du bist erledigt. Telios’ ganzer Körper bebte. »Das ist völlig absurd«, hörte er sich sagen, wiederum so ruhig, als gehörte seine Stimme jemand anderem.
»Ich habe meine Befehle, Admiral.«
Araans gepanzerte Begleiter traten wie ein Mann einen Schritt vor. Die Kristalle an ihren Waffen glühten tiefrot.
»Sie werden sich fügen, oder Sie zwingen uns, Gewalt anzuwenden«, sagte der Leutnant. Und dann, unsicherer: »Es tut mir leid, Admiral. Ich befolge nur meine Befehle.«
Du könntest sie ausschalten, jagte es Telios durch den Schädel , wenn du schnell bist und sie überraschst – schnapp dir ein Sonnenauge und setz’ sie außer Gefecht!
Nein. Sie würden ihn zu Boden geschickt haben, bevor er auch nur blinzeln konnte. Und ein Fluchtversuch würde nicht helfen, seine Unschuld unter Beweis zu stellen.
»Admiral?«
Seine Gedanken rasten: Vielleicht war dies seine Chance. Wenn sie ihn jetzt mitnahmen und nach Teriam brachten – vielleicht würde das die anderen Mitglieder der Admiralität und der Kommission endlich aufrütteln.Vielleicht würde er auch die Sonne niemals wiedersehen.
»Admiral«, wiederholte Araan erneut, diesmal fordernder. Telios sah, wie die Gardisten sich versteiften.
Er hörte seine eigenen Worte wie aus weiter Ferne, als er sagte: »Ich komme mit Ihnen. Aber Sie machen einen Fehler, Leutnant.«
Araan schien erleichtert. Was ihre Begleiter anging, konnte er sich nicht so sicher sein, da ihre Gesichter weitgehend von weißglänzenden Visieren verborgen waren.
Sie nahmen ihm sein Sakedo ab und legten ihm Handschellen an. Telios ließ es über sich ergehen. Anschließend führten sie ihn aus dem Foyer nach draußen auf den Vorhof, dessen Pflaster von Möwendreck gesprenkelt war. Der Admiral spürte die kühle Brise im Gesicht, roch den Seetang und dachte: Genieß es. Es ist vielleicht das letzte Mal.
Eine Gruppe von Pellins Leuten sah
Weitere Kostenlose Bücher