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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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elektrischer Schlag: Unten an der Gangway stand eine Piratin; eine Skria, deren rabenschwarzes Fell sie wie einen wandelnden Schatten aussehen ließ und eine Maskierung überflüssig machte. Sie trug ein Sonnenauge in den Pranken, und vom Gürtel ihres Kilts hing ein ganzes Arsenal an Wurfdolchen. Ihr Blick aus gelben Katzenaugen fiel erst auf die Leichen ihrer Kameraden, draußen auf dem Landeplatz – und dann dem dünnen Menschenjungen an der offenen Tür. Sofort richtete sie den Energiekristall auf Miko. Er spürte, wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich und sein Körper zu Eis erstarrte.
    »Runter da, Junge!«, knurrte die Piratin und erklomm mit samtweichen Schritten die Gangway.
    Miko rührte sich nicht, er vergaß beinahe zu atmen.
    »Hast du nicht gehört? Komm da runter, oder ich brenn dir’n Loch in deinen Schädel!«
    Miko hatte nicht einmal die Kraft, zu wimmern. Er fühlte den Drang, seine Blase zu leeren.
    »Ich töte nicht gern, aber wenn’s sein muss, tu ich’s«, brummte die Skria. Ihre Stimme klang fast so tief wie die ihrer männlichen Artgenossen. »Wer außer dir ist noch an Bord? He, hörst du nicht? Ich habe gefragt, wer noch an Bord ist!«
    » Ich! « Wie ein Wurfpfeil zischte Nelen hinter Mikos Rücken hervor, die Hörner voran.
    Die Piratin wich fauchend vor der Yadi zurück; sie feuerte blind mit dem Sonnenauge. Der Strahl verfehlte Miko nur um Haaresbreite und schlug ein winziges Loch in die Wand hinter ihm. Dann verlor die Skria den Boden unter ihren Füßen und stürzte sie die Gangway hinab.
    »Miko!«, rief Nelen aus, bevor sie wieder zurück in die Sicherheit des Schiffs flatterte.
    Und als wäre sein Name ein Zauberwort, erwachte der Junge aus seiner Starre: Er sprang von der Gangway und griff nach der fallengelassenen Waffe. Mit zitternden Händen richtete er den Kristall auf die Skria, die sich gerade wieder erhob und ihren Kopf rieb. Ihre Zähne funkelten weiß wie der Tod in ihrem schwarzen Gesicht. »Komm, sei ein nettes Affengesicht und gib mir die Waffe, ja?«
    »Ich will, dass Sie verschwinden!« Hab ich das gesagt?, wunderte sich Miko.
    Noch ein Schritt der Skria, diesmal ein ganzer. Ihre Augen waren wie gelbe Flammen mit schwarzen Splittern darin. »Kannst du überhaupt damit umgehen, ha? Na, los, gib mir das Ding, bevor du dir noch wehtust.« Sie streckte ihre Pranke aus.
    Das Sonnenauge spie eine kurze, rubinrote Salve. Die Piratin riss ihre Augen auf und krachte rückwärts auf das Pflaster. Sie schüttelte sich wie unter Krämpfen, dann stoppte jede Bewegung.
    Miko betrachtete geistesabwesend den Kristall am Ende des Metallstabs und dann die Ringschalter, die seine Hände scheinbar ganz von allein betätigt hatten. »Ach – so funktionieren die Dinger«, murmelte er, aufrichtig verblüfft.
    Er sah zu der Piratin. Sie gab keinen Mucks von sich. Ihr Maul stand offen und zeigte mörderische Zähne, während ihr die rosafarbene Zunge schlaff aus einem Mundwinkel hing.
    »I-Ist sie ...?« Miko hatte Schwierigkeiten, seine eigene Stimme zu hören. Die Welt fuhr um ihn herum Karussell.
    Nelen landete auf seiner Schulter. Vorsichtig begutachtete sie erst die reglose Skria, dann die Skalen auf der Waffe. »Nein! Die Anzeige steht auf orange – sie ist nur bewusstlos.«
    Miko sagte nichts.
    Nelen tätschelte ihm die Wange. »Das war gute Arbeit, Miko! Bei allen Geistern, ich hätte nicht gedacht, dass du das hinkriegst! Ich – äh, Miko?«
    Sie konnte gerade noch rechtzeitig abspringen, bevor der Junge in Ohnmacht fiel.
    »Hallo, Wolkennäschen«, sagte Sefiron Tanna. Er hatte die Maske abgenommen und zeigte ein hübsches Gesicht mit gelbbrauner Haut unter einem Schopf verschwitzter, rabenschwarzer Haare. Ein Mehr-als-drei-Tage-Bart umrahmte sein Kinn. Zu Endriels Missfallen verfügte er immer noch über seine Geheimwaffe: das jungenhafte, spitzbübische Lächeln, das sie damals so schwach gemacht hatte. »Is’ ’ne Weile her, was?«
    »Nicht lange genug«, sagte sie, allerdings ohne die Hände runterzunehmen, schließlich war immer noch ein Sonnenauge auf sie und Liyen gerichtet.
    Sein Anblick löste eine ganze Flut von Erinnerungen aus: Ihre ersten Wochen allein, fort von Zuhause, frei wie der Wind. Dann ihre Begegnung in der dämmrigen Taverne in Deri; ihr erstes Mal unter dem Sommer-Sternenhimmel – und das zweite Mal nur eine Stunde später. Ihr erster gemeinsamer Bruch zusammen mit ihm und Nelen in der Bibliothek von On-Ta-Na; die folgenden dreiundzwanzig

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