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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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ist es«, sagte Endriel schnell. Sie bückte sich, hob Sefirons Sonnenauge auf und überprüfte die Ladung: Die Energieleistung stand auf Betäubung. »Was ist mit den anderen?«
    »Sind noch auf dem Schiff«, brummte Keru. »Hoffe ich zumindest.«
    »Dann verlieren wir keine weitere Zeit! Hier lang!« Endriel feuerte gegen das Schloss der Hintertür und trat sie. Zu dritt stürmten sie nach draußen.
    Hinter dem Haus lag ein winziger Garten. Eiskalter Wind biss ihnen ins Gesicht. Die Piratenschiffe hingen noch über der Stadt und produzierten Krach und blaues Licht, doch von überall her ertönten eilige Schritte, und erleichtert hörten sie die Rufe: »Weißmäntel! – Die Weißmäntel kommen! – Rückzug, alle Mann Rückzug!«
    »Spät, aber doch«, brummte Keru, während sie auf die Mauer zuliefen, die das Grundstück begrenzte.
    Liyen betrachtete Endriel mit einer Mischung aus Bewunderung und Skepsis. »Du hast Museen ausgeraubt?«
    »Ich hab 'ne Menge dummer Sachen gemacht.«
    »Zumindest hat sich dein Geschmack, was Männer betrifft, stark verbessert.«
    »Man wird älter und manchmal sogar weiser. Nur, wie ich das Universum kenne, bin ich dem Idioten nicht zum letzten Mal über den Weg gelaufen.«
    »Manche unserer Sünden werden wir eben nie los«, sagte Liyen. Ihre Miene wurde ernster. »Endriel, was deine Frage von vorhin angeht ...«
    »Ich sagte doch: Vergiss es! Wir haben gerade ganz andere Sorgen.«
    »Du hattest mich nicht ausreden lassen. Ich helfe dir; ich meine, mit der Armschiene, wenn ich das irgendwie kann. Trotz allem, was geschehen ist, würde ich Kai gern noch ein letztes Mal sehen, noch einmal mit ihm sprechen.«
    Endriel musterte sie. »Gut«, sagte sie trocken und dachte an Nelens Vorschlag, Liyen vom Schiff zu schmeißen, bevor sie Kai zu nahe kam. Sie deutete mit der flachen Hand zur Mauer. »Also dann – nach dir!«

10. Die namenlose Stadt
    »Du weißt nie, was du findest: Heute eine Tonscherbe, morgen einen irdenen Gott.«
    – aus »Reiseführer durch die Welt der Archäologie« von Yeno Novus
    Kurz vor Morgengrauen erreichte Kai sein Ziel.
    Aus den Blessuren, die er bei seiner Begegnung mit dem Schiff davongetragen hatte, waren dicke Blutergüsse geworden, die bei jedem Schritt seines Gewaltmarsches durch die Geröllwüste schmerzten, doch ihm war klar, dass die wirklichen Qualen erst beginnen würden, wenn er anhielt. Daher gönnte er sich keine Pause; er wollte zumindest ein Dach über den Kopf haben, erst dann konnte er sich gestatten, der Erschöpfung nachzugeben.
    Seine Stiefel, sein Mantel, sein Kragen, alles war voller Staub. Er hatte seine Kleidung bis auf die Unterwäsche durchdrungen und scheuerte seine Haut wund. Den Schal, den er als Mundschutz trug, musste er immer wieder ausschütteln, da das feuchtgeatmete Gewebe von Staub völlig verkrustet war. Bei jedem Schritt schlug ihm der Rucksack gegen seinen Rücken; egal wie oft er die Schnallen auch festzog, sie lockerten sich immer wieder. Die einzigen Geräusche, die er hörte, waren das Knirschen von Sand und Steinen unter seinen Stiefeln und der pfeifende Frostwind.
    Die Lichtkugel lag in seiner Hand wie ein Apfel aus Sonnenlicht; in ihrem gelben Schein sah er den allgegenwärtigen Staubschleier in der Schwärze – und hinter diesem nun endlich die Silhouette der namenlosen Stadt.
    Die kristallenen Ruinen hatten sich als finstere Stelen in den Nachthimmel erhoben, wo graue Wolkenfelder wie eine Flotte von Geisterschiffen dahin zogen und zeitweise den sichelförmigen Mond verschluckten. Zwischen ihnen stieg eine Säule aus schwarzem Qualm empor, weithin sichtbar wie ein umgekehrtes Leuchtfeuer. Wie vermutet war das Drachenschiff in der Stadt abgestürzt – dem Rauch nach zu urteilen, war es bis ins Zentrum vorgedrungen.
    Kai schob den Schal unters Kinn und zog seine zweite Wasserflasche hervor. Mittlerweile war sie fast leer. Trotzdem nahm er einen Schluck – das Wasser schmeckte nach wie vor algig, doch es war die reinste Wohltat für seine ausgedörrte Kehle; mit Widerwillen nahm er die Flasche wieder von den Lippen. Es lag noch ein langer Weg vor ihm. Bald würde sich zeigen, ob er die Reise umsonst gemacht hatte; ob er immer noch – oder besser: wieder – das einzige Lebewesen auf dieser Welt war.
    Er versuchte, nicht daran zu denken; genauso wie er versuchte, den Gedanken zu verdrängen, dass es entgegen aller Wahrscheinlichkeit doch Endriel sein könnte, die an Bord des Schiffs gewesen war.
    Endriel. Wie

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