Rückkehr nach Kenlyn
Ozeane, wo eine Finsternis herrschte, die tiefer war als die zwischen den Sternen, hatten die Baumeister der Sha Yang Niederlassungen errichtet.
Und dann gab es noch die uralten Metropolen der Hohen Völker, welche eine Ewigkeit von Kriegen und Katastrophen überdauert hatten: Prachtbauten der Menschen voller Gold, Silber und Marmor, himmelhohe Zikkuratstädte der Skria und Pagodenwälder der Draxyll – Hinterlassenschaften aus mehr als zehntausend Jahren Geschichte, ausgehend von der Zeit, als die Völker noch durch die Weiten der Meere voneinander getrennt waren und sich untereinander die Schädel mit Steinkeulen einschlugen, bis zu einer viel, viel späteren Ära, als sie sich mit dampfbetriebenen Schiffen und Wagen aus Eisen die Welt untertan machten. Nur wenige Jahrhunderte später hatte ein neues Zeitalter des Wohlstands und der Technologie begonnen, als die Sha Yang erschienen waren. Kein Wunder, dass die Hohen Völker sie als Götter verehrt hatten.
Die Sha Yang hatten alles verändert – und damit die Vernichtung Te’Ras durch den Schattenkult eingeleitet.
Das Nexus-Netzwerk auf der Heimatwelt war viel enger gesponnen als jenes, das in aller Eile auf Kenlyn errichtet worden war. Angeblich hatte es keinen Ort auf dem Planeten gegeben, den man nicht erreichen konnte: Jeder der fünf Kontinente war nur einen kurzen Spaziergang entfernt.
Genau das war der Welt zum Verhängnis geworden, als die Sporen Rokors sich mit Hilfe der Portale in alle Himmelsrichtungen ausgebreitet und tief in den Boden eingegraben hatten. Dort war aus winzigen Samen ein amorpher Schleim geworden, der schließlich zu einem lebenden Alptraum herangewachsen war, der ganze Städte überflutet hatte.
Und nun kroch er durch die Scherben eines Traums auf der verzweifelten Suche nach einer Stimme, die nicht seine eigene war.
Der Gestank wurde stärker. Kai tauchte aus seinen Gedanken auf: Er sah schwarzen Nebel zwischen Ruinen aufsteigen und seufzte erleichtert. Es war nicht mehr weit.
Eine Ewigkeit von zwanzig Minuten später fand er das Schiff: Es war zu einem Klumpen zerbeult, zerschrammt und verbogen, aber noch in einem Stück, wenn man von den fehlenden Flügeln absah. Kai versuchte, den Absturz zu rekonstruieren: Anfangs musste es sich noch über den Turmspitzen gehalten haben, anscheinend genau über der breiten Hauptstraße. Dann hatten die Gebäudereihen zu beiden Seiten die immer geringer werdende Flughöhe der Maschine überstiegen und ihr die Flügel abgerissen (er hatte die Trümmer der Schwingen und Schubdüsen nur wenige hundert Meter vorher entdeckt). Doch die schwächelnden Levitationsmotoren und die Schubdüse am Heck hatten das Schiff noch einige Zeit in der Luft gehalten – bis es schließlich Bodenkontakt bekommen hatte, das zerstörte Pflaster entlang geschrammt und vom Fuß eines Turmes am Ende der Straße aufgehalten worden war.
Dort lag es nun inmitten frischer Kristallsplitter und spuckte Rauch in den Himmel, als würde ihm ein uralter Geist entweichen. Die Brückenkuppel war deformiert und zersprungen; Feuer, nicht blau sondern rot, richtiges Feuer, leckte aus den Überresten der Schubdüsen.
Kai näherte sich dem Schiff, indem er sich dicht am Rand der aufgerissenen Straße bewegte. Der Wind trug den Qualm in seine Richtung und ließ ihn würgen. Kai tat was er konnte, um aus den Nebelschwaden herauszukommen. Er musste das Wrack genauer in Augenschein nehmen.
Eine Außentür stand offen; in der Dunkelheit dahinter war nichts zu erkennen. Hatte sie jemand vor dem Absturz geöffnet, oder war sie bei der Kollision mit dem Turm aufgesprungen?
Direkt unterhalb der Öffnung entdeckte er frische Fußspuren im Staub: Sie führten fort von dem Wrack und hörten nach ein paar Metern plötzlich auf. Kai fühlte sich, als zerquetschte eine Hand seinen Magen. Es war tatsächlich jemand in der Maschine gewesen! Wenigstens ein Lebewesen hatte den Absturz überlebt!
Er wirbelte so schnell herum, dass er beinahe gestolpert wäre. »Hallo?«, rief er aus und zuckte vor der Lautstärke seiner eigenen Stimme zusammen. »Ist hier jemand?«
Die Worte verhallten in der Nacht. Nur der Wind antwortete. Kai drehte sich nach allen Richtungen um. Das Schiff stand auf einem großen Platz, der zu drei Seiten von Ruinen begrenzt wurde; ringsum sah er gesplitterte Kristallwände und dahinter lichtlose Höhlen, die im unsteten Feuerschein zu schwanken schienen.
»Hallo!«, rief er wieder und schwenkte die Lichtkugel. »Sie müssen
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